Walter Ratliffs ausgezeichnetes Buch beschreibt die Reise, die Helena unternahm Helena Graewe Warkentin (1865-1942, #88939) erzählt ihre erstaunliche Geschichte, wie sie in den Jahren 1880-1881 mit einem Planwagenzug durch Wüsten und über Bergen von Südrussland nach Zentralasien reiste. Zum Inhalt:
Einführung Helena war 16 Jahre alt, als ihre Familie Kleefeld, Molotschna, in Richtung Zentralasien verließ. Wie viele junge Menschen auch, ging sie den größten Teil der 18-wöchigen Reise zu Fuß und legte 4.200 km durch unwegsames Gelände zurück. Als ich las, dass sie in einer Moschee getauft wurde, fragte ich mich, ob das ein Tippfehler war. Aber nein. Helena und 20 anderen wurden in der Kyk-Ota (Blauer Großvater) Moschee in Sarabulak, jetzt Usbekistan, getauft. Ihre Schwester, Katharina Graewe (1859-1916), heiratete Bernhard Wiebe (1859-1921) in einer Doppelhochzeit in der gleichen Moschee. Einige Nachkommen von Familien auf dem Treck reisten 2007 nach Sarabulak. Sie waren erstaunt, die Moschee noch stehen zu sehen und Dorfbewohner, die sich durch Geschichten ihrer Vorfahren liebevoll an die Mennoniten erinnerten. Ihre interreligiöse und interkulturelle Zusammenarbeit ist ein starkes Beispiel für die Möglichkeiten, die sich ergeben, wenn Gruppen zusammenarbeiten. Die Mennoniten hielten sich immer noch getrennt und nannten die anderen privat "Heiden", versuchten aber, liebevoll zu ihren Nachbarn zu sein. Ich erfuhr von Helena, als ich über meine Großeltern mütterlicherseits, die Graewes, forschte. Helenas Vater, Heinrich Graewe (1834-1917), war der Bruder meines Ur-Ur-Großvaters, Isaak Graewe (1827-1888). Während Isaak in Südrussland blieb und von Molotschna nach Sagradowka zog, fühlte sich Heinrich berufen, weiter nach Osten zu gehen. Dort wurde den jungen Männern versprochen, vom Militärdienst befreit zu sein. Selbst der Ersatzdienst in der Forstwirtschaft schien für diese friedliebende Gruppe ein gefährlicher Kompromiss zu sein. Fünf Planwagenzüge mit dieser Absicht trafen sich 1880-1881 in Taschkent, teilten sich aber schließlich in zwei Gruppen. Eine Gruppe, die hauptsächlich aus Molotschna stammte, entwickelte die Siedlung Aulie-Ata, die heute in Kasachstan liegt und in der nur noch wenige Mennoniten leben. Die Graewen schlossen sich der anderen Gruppe an, die zumeist aus Am Trakt stammte und die viel Umbruch und mehrere Fehlstarts erlebte. Manchmal reisten sie, ohne zu wissen, wohin sie gehen sollten. Sie versuchten zunächst, sich in der Emirat Buchara niederzulassen, an einem Ort, wurden aber mehr als einmal vertrieben. Ihr nächster Halteplatz war Serabulak, einem Dorf an der Karawanenroute, wo sie vor Buchara kurz Halt gemacht hatten. Nun verbrachten sie den Winter, wohnten in Karawanenunterkünften, Eselsställen, die sie versuchten, zu richten, sogar in der Moschee. Am Tag, nachdem sie Buchara verlassen hatten, hielten sie Gottesdienst in der Moschee. Die Muslime nutzten sie freitags und samstags und ließen die Christen sonntags dort den Gottesdienst abhalten. In seinem packenden Memoiren Unser Auszug nach Mittelasien, erwähnt Franz Bartsch ein erschreckendes Erlebnis einer der Graewe-Frauen in Serabulak (wahrscheinlich die Mutter, Katharina Giesbrecht Graewe, 1837-1916): "Schw. Gräve hatte Hefenteig eingerührt. Als sie sehen will, ob er sich hebt, bemerkt sie darin einen dunkeln Punkt. Sie will den fraglichen Gegenstand herausnehmen und hält einen Scorpion in den Fingern, der sie auch sofort verletzt, wodurch sich Geschwulst und furchtbare Schmerzen einstellten." (S. 60) Schließlich wurde der Gruppe gestattet, sich im Khanat Chiwa niederzulassen. Sie machten den schwierigen Treck und nannten ihre Siedlung Lausan. Aber einheimische Stammesangehörige stahlen oft Pferde, Vieh und anderes Eigentum, da sie wussten, dass die Mennoniten ihnen nicht mit Gewalt widerstehen würden. Nach einem grausamen Mord (Heinrich Abrahams, 1854-1883), gaben 23 Familien Asien auf und 1884 nach Amerika reisten. Die Verbliebenen teilten sich wiederum in zwei Gruppen auf. Manche zogen nach Aulie Ata, anderen nach Ak Metchet (Weiße Moschee), eine vom Khan von Chiwa angebotene Gartenoase in sicherer Lage in der Nähe der Stadt Chiwa. Die kleine Siedlung bot nur wenig Land für die Landwirtschaft, aber die Nachbarn und sogar der Khan suchten die Dienste der Mennoniten in den Bereichen Sprachdolmetschen, Schreinern, Nähen und anderen Arbeiten. Ihre Innovationen in der Fotografie, der Landwirtschaft und anderen Bereichen werden heute von den Einheimischen mit Dankbarkeit bedacht und sogar in einem mennonitischen Museum in Chiwa, dem Ichan Kala Museum, gefeiert. Nach 51 Jahren, im Jahr 1935, wurden die Mennoniten aus Chiwan von den Russen in einen leeren Wüstenstreifen in Tadschikistan deportiert. Viele von ihnen starben danach, aber die Überlebenden und ihre Nachkommen wanderten aus, als sich die Gelegenheit bot, und wurden in Deutschland gefunden. Die Graewen ließen sich in Newton, Kansas, nieder, wo sie sich der historischen Alexanderwohl Mennonite Church im nahe gelegenen Goessel, Kansas, anschlossen. Helena schrieb diesen Bericht über ihre Erfahrungen, um ihn mit der Jugendgruppe dort zu teilen. Ein früherer Brief, der 1916 an die Mennonitische Rundschau geschrieben wurde, gibt einen Einblick in das Leben in Kansas und einige Erinnerungen an den Treck. Zur besseren Lesbarkeit habe ich Absatzumbrüche hinzugefügt. Eine englische Übersetzung ist verfügbar. Weitere Geschichten über den Treck nach Zentralasien werden in Briefe aus Tashkent erzählt. Einen Überblick über alle 5 Wagenzüge und ihre Opfer finden Sie unter Asienreise-Todesfälle 1880-1884. Walter Ratliff macht die Reise in seinem Buch Pilgrims on the Silk Road (Pilger auf der Seidenstraße) auf wunderbare Weise lebendig. Das Mennonite Heritage Archives des Bethel College in North Newton, Kansas, bewahrte das Dokument auf und teilte es freundlicherweise mit mir. Helenas Bericht über den starken Glauben und die Gemeinschaft während ihrer beschwerlichen Abenteuer ist einer, der bei mir bleiben wird. Ich hoffe, dass Sie ihn auch inspirierend finden. Danke, Helena. - Irene Plett Unser Treck nach Asien An 1932 wurde ich vom Jugendverein gefragt: Ob ich nicht ihnen etwas von unserer Asienreise erzählen wollte. So bat ich den Herrn mit etwas zu geben, dass ich ein Segen sein könnte, mit dem was ich brachte. Und jetzt an 1942 gerade 10 Jahre später bittet die liebe Jugend noch einmal um einen Bericht von der Asienreise. Jetzt bin ich aber nicht gesund, und kann es nicht, und so kam mir dieses in Erinnerung, und ich wünschte: Ich könnte ein Segen sein auch für Euch! Gott gebe es! Für den Jugendverein zu liefern den 14ten August, 1932. Auszüge aus der Asienreise Weil nicht lange zurück in zwei Nummern im [Christlicher] Bundesbote ein Bericht erschien von unserer Reise, und wenn ich recht bin, voriges Jahr von einem andern, auch in zwei Nummern, so weiss ich eigentlich nicht was ich noch bringen soll. So bat ich den Herrn mir etwas zu geben dass ich ein Segen sein könnte mit dem was ich berichte. Und so kam es mir in den Sinn dass noch niemand etwas berichtet hatte, wie wir unsere Reise antraten und wann. Es war an 1880 den 17ten August [neuer Stil-Kalender], also dem Datum nach: zwei Tage später wie ich dieses bringe. Die lieben Eltern traten diese beschwerliche Reise an, vom Dorfe Kleefeld in [Molotschna] Süd Russland, wegen die Wehrpflicht und taten es aus Liebe zu ihrem Kindern. Haus und Hof und Land musste alles sehr billig verkauft werden, und weil es mit den Pässen es sich so in der Länge zog, so wurde es zu spät im Jahr. Es gab ein schwerer Abschied von all den Lieben. Dann fuhren wir alle bis zum Dorfe Waldheim [in Molotschna] wo wir uns alle zusammen trafen, so wie es bestimmt war. Hier versammelten sich 65 Familien, ein jeder führte jetzt mit sich das bisschen Habe, soviel als auf ein Wagen konnte geladen werden, und wer eben gehen konnte ging zu Fuss. Nur die Alten, Kranken und kleine Kinder konnten immer fahren. Hier hielten wir einen Tag um alles zu regeln. Hier schliefen wir unsere erste Nacht unter den blauen Himmelszelt. Die Jugend wir es vielleicht interessieren welche Regel und Ordnung wir in unserem Wagenzug hatten. Denn 65 Wagen hintereinander bildete ein langer Zug. Wenn wir aufstehen sollten wurde geklingelt, dann schnell Pferde besorgt, Frühstück gekocht, gegessen. Dann wurde zur allgemeinen Morgenandacht geklingelt. Es wurde ein Lied gesungen, etliche Verse [aus der Bibel] gelesen und dann gebetet. Dann ging alle schnell wieder zur Arbeit, alles aufräumen und aufladen. Drei mal wurde geklingelt zum einpacken, einspannen, dann zum losfahren. Jeder musste ungefähr fünf Schritt Raum lassen dem der vor ihm fuhr. Und keiner durfte dem andern vorbei fahren. Wenn dem vor ihm etwas passierte und er halten musste, so musste der Nächste ihm erst aushelfen. Wir hatten einen sehr weisen und lieber Führer, Onkel Jakob Janzen. Jeder folgte ihm und liebte ihn. Wenn ein Pfiff sich hören ließ, hielt alles still. So fuhren wir von früh Morgens bis Mittag, fuhren immer wenn es möglich war in einem runden Kreis, es sah hübsch aus. Dann wurde gekocht und gegessen, so einfach wie es war, aber ach, wie schön schmeckte es! Auf der Erde auf eine Decke und saßen alle auf der Erde, und doch ein so köstliches Mahl. Dann musste es wieder alles sehr schnell gehen, denn wir hatten ja eine sehr weite Reise vor uns. Fuhren dann bis spät Abends. Die ersten Tagen wurden wir vom vielen Gehen sehr müde. An die wunderschöne Abende die wir genossen haben in Gottes freier und frischer Natur, wenn alles besorgt war, so wurde wieder zur Abendandacht gerufen, und alle kommen [says alles kam]. Es war eine nette Schar, mit der vielen Jugend und Kinder. Dann nach der Andacht hatte die Jugend auch wenn eben möglich, Singstunde. Dazu waren sie nie zu müde, und manches Lied ist gelernt worden. Sonnabend suchten und schauten wir schon von Mittag an aus nach einem passenden Platz zum über Sonntag bleiben, hielten dann früh still. Und die Frauen und Mädchen hatten eine grosse Wäsche, denn auf so staubigen Wegen im Schweiß gehen und dann hin und wieder Regen, das gibt Arbeit genug. Sonnabend mussten wir alle frühzeitig sein, dann wurde mit den Kindern gesungen. Dann kam der liebe Sonntag, ein wahrer Ruhetag für uns. Dann so wie immer: erst Morgenandacht, dann Gottesdienst. Nachmittag Bibelstunde oder Gebetsstunde. Abends wieder Andacht und Singstunde. Auch Sonntagsschule was am Tage mit den Kindern. Und der Sonntag war zu kurz und keineswegs langweilig. Denn rings um uns her gab es oft so viel interessantes, manchmal ein Berg zu erklettern und überall waren so viel Wunder Gottes zu sehen in der Natur. So viel Vögel die wir nie gesehen hatten, so viel wilde Blumen. Einmal ein großes Feld Tulpen, dann ein Feld Violetten, das gab ein lieblicher Geruch. Wie oft konnten wir als junge Madchen Blumensträusse den Eltern und Alten und Kranken bringen, und es gab viel Freude. Und oft trafen wir so wunderhübsche Steine wenn wir einen Berg erklettern, dass es uns schade war, dass wir sie nicht konnten mitnehmen. Überall sahen wir den grossen Schöpfer und wunderbar überkam es uns manchmal so ein Ort. Wie wird uns aber einst sein wenn wir den grossen Schöpfer werden von Angesicht sehen, und dann schon von Jugend an so gelebt haben dass wir uns nicht fürchten brauchen Ihm zu begegnen, und Ihm ins Angesicht zu schauen. So ging es eine Woche nach der andern, bis 18 Wochen. In dieser Zeit mahnte es uns schon oft dass der Winter näher kam, denn wir schliefen auf der Erde und die Nächte wurden schon sehr kühl. Bis jetzt habe ich einige Lichtseiten von der Reise erwähnt, nun möchte ich noch einige von den Schattenseiten erwähnen. Es wurde immer kälter, und fror bis zu 25 Grad [F oder -4°C], und dann [says denn] Tag und Nacht draussen unter freiem Himmel. Es kam nach und nach, sonst hätte es wohl kaum gehen können. Viele von uns mussten auch jetzt auf der Erde schlafen, denn ein Wagen bietet wenig Raum. Und in mehreren Wagen waren Kranke und zu Fuss gehen wurde so erschwert durch den Schnee der anfing zu fallen, und unsere Kleider waren Abends manchmal recht nass. Wir trockneten sie an dem bisschen Glut was es vom Kochen gab, was wir uns im Eimer nahmen und in den Wagen hingen. Oft zeigten wir uns einer dem andern die rissige Hände vom Frost und allerlei hartes Wasser und kalt drin waschen. Für die Gesunden war es wohl zu tragen; aber die armen kleinen Kindlein, und die Kranken und Sterbenden. Denn auch manches Grab musste gemacht werden, und viel Tränen sind auf der Reise gesät worden. Aber einer half dem andern was in seinen Kräften stand. Hier konnte man Liebe lernen, Liebe üben und das Wort so recht verstehen: Gott ist die Liebe! [1. Joh. 4:8] Denn in den Gebetsstunden konnten alle ihren Herzen Luft machen, und die Jünglinge haben sich nicht gescheut vor Gott zu treten, und auch die Jungfrauen, und wie sie den alten Eltern halfen, wenn es auch nicht die ihrige waren. Und wenn der Abend kam waren wir alle sehr müde. Denn wir trafen auch sehr schlechte Wege wo auch oft Pferde mussten vorgelegt werden [um zu helfen, andere Wagen zu ziehen], und dann noch nachschieben. Aber sichtlich halt uns oft der Herr. Ein Begräbnis wurde so feierlich gehalten, gepredigt, gesungen und gebetet. Dann ging es vom frischen Grab weiter, aber mit ein Weh im Herzen. So kamen wir endlich bis Taschkent, wo der höchste Beamte, der uns eingeladen hatte zu kommen wohnte. Und fürsorglich wie ein Vater für seine Kinder hatte er für alle lassen ein Stübchen bereiten und Öfen rein stellen. Aber auch jetzt kam das schwerste: wir konnten die warmen Stuben nicht vertragen, und einer nach dem andern wurde krank an typhus Fieber, und starben mehrere. So auch mein 20 jähriger Bruder [Heinrich Graewe #265718 starb 19. Feb. 1881]. Es gab ein grosser Schmerz. Acht Monate ungefähr verweilen wir hier, aber auch nicht müßig, denn die Männer und Jünglinge die nicht krank waren, die fuhren Steine zur Straßenpflasterung. Die Jungen trugen Schnee und Eis in grosse Keller. Die Frauen und Mädchen taten schneidern, und so wurde etwas verdient wo nur eben möglich. Aber manches Grab wurde auch hier gemacht. Viele Soldaten sind zu unseren Andachten und Begräbnisse gekommen, und die Ewigkeit wird es einst klar machen was auch auf dieser Reise ist für den Herrn gearbeitet, wenn auch nur im kleinen Masse. Hier in dieser grossen Stadt besuchten uns kleines Häuflein, die schon wenig zu schenken hatten, auch Diebe, wo auch unsere Pferde gestohlen wurden. Und bald wollten wir weiter reisen. Aber auch hier half der Herr! Dann gings von Taschkent nach der bucharischen Grenze, aber sozusagen ohne Weg, oft blos tiefe, ausgetretene Kamels Stege. Ich bedaure von ganzem Herzen oft unsere Missionare, wenn sie viel reisen, wie viel Stösse erhalten sie an einem Tage? Und dann waren wieder recht Kranke; eine Familie musste zurückbleiben deshalb. Unter den Kranken war auch unsere liebe Mutter. Diese Fahrt dauerte wohl 7 Wochen. Hier fuhren wir durch ein Tal, aber oft sagten wir uns: Dies ist wohl das Paradies von Mohammedaner bewohnt. Aber Früchte aller Art, die Bäume schwer beladen, und für weniges Geld konnten wir es mit ihnen geniessen, und solche Früchte so süss und schön, was wir wohl nicht mehr essen werden in diesem Leben. Wir kamen bis Samarkand, wo die Heiden uns ihre Moschee anboten für unsere Kranken. Dies war eine grosse Stadt. Aber nach paar Wochen Aufenthalte ging es wieder weiter, und kamen bis zur Grenzstadt Kattakurgan. Hier wurden wieder Männer abgesandt nach dem Emir und wir erhielten Erlaubnis [nach Buchara] zu kommen. Als wir unsere Reise gemacht hatten, erhielten wir Befehl zurück zu fahren. Indes war es schon wieder kalt, und wir fuhren über der Grenze zurück und mieteten Wohnungen in einem Heidendorf [Sarabulak] und wohnten hier unter ihnen 10 Monate, wo wir Heidentum kennen lernten. Auch hier gaben sie uns ihre Moschee zur Wohnung und auch zu allem Gottesdienst, und obzwar vier Familien drinnen wohnten, wurde doch eine doppelte Hochzeit hier gefeiert, wo meine liebe Schwester auch mit eingeschlossen war [Katharina Graewe #265092 heiratete Bernhard Wiebe #265091 am 21. Feb. 1882]. Und hier bin auch ich [am 14. Dez. 1881] getauft und viele anderen. Viel Predigte und Gesänge und Gebete sind aus dieser Heidenkirche zum Himmel empor gestiegen. Denn wir wussten nirgends hin. Es wurden Männer nach Chiva gesandt und wir konnten [nach Buchara] kommen. So wurde 1882 wieder eingeladen, die Pferde eingespannt, und weiter gings. Durch vier Provinzen, und jeder stellte uns Schutz zum durchreisen. Hier trafen wir den engsten Weg, und O die armen Kranken und unsere liebe Mutter, wie hat sie gelitten, und so auch die andern Kranken. Einige von den unsern hatten auch schon ihre Pferde und Wagen vertauscht, und nahmen sich Heiden Arbas an. Dies waren zweirädrige Karren, ein Rad sieben Fuss hoch [2,13 m], in der Mitte die Achse und auf derselben ein Plattform, die wurde mit den Passagieren und Sachen beladen. Ein Pferd, aber nur ein kleines vorgespannt und fort ging's. So fuhren wir wieder weiter nach der Bucharischen Grenze [um durch Buchara zu reisen] auf Chiva zu. Es schien so als ob für uns kein Ruheplätzchen war in der Welt. Nach mehreren Wochen kamen wir an eine Sandwüste wo wir mit den Wagen nicht hindurch konnten. Auf der ersten Reise trafen wir auch eine wo wir durch mussten, da ging es aber noch mit vorgelegten Pferden zu machen [zusätzliche Pferde wurden zum Ziehen jedes Wagens eingesetzt], was aber sehr schwer war, und Wassermangel leiden mussten mit Pferde zusammen. Hier lernten wir für ein Trunk Wasser dem Herrn von Herzen danken. Verstanden in der Hitze die da war, auch das Wort, “Meine Zunge klebte mir an meinen Gaumen.” Aber auch “Der Wüstensand brennt an den Füssen.” Denn die bekamen Blasen die sehr schmerzten. Diese Wüste konnten nur Kamele, Esel und Pferde passieren. Diese Strecke war wohl noch an 35 Meilen [36 km]. Hier hatten wir 2 Sterbenskranke, eine Jungfrau, Maria Albrecht, und unsere liebe Mutter. Nun wurden die Wagen auseinander genommen, somit war kein Hütchen mehr für unsere Kranken als ein kleines Zelt was man von der Leinwand des Wagens machte. Dieses Auseinander nehmen und fertig machen zur Wüstenreise nahm mehrere Tage in Anspruch. Und O — wie wurde in den Gebetsstunden gebetet, “Herr, nimm diese Kranke zu Dir ehe wir diese mühevolle Reise antreten.” Die Jungfrau starb, und wir feierten ihr Begräbnis am Wüstenrande. Aber unsere liebe Mutter musste aufs Kamel geladen werden, so wie die andern Kranken, die Alten, Frauen und Kinder. Es wurden Kasten gezimmert worin 2 miteinander durch Stricke verbunden wurden. Das Kamel legte sich hin, dann wurden die Kasten dem Kamel, das ein Sattel trug, so übergehangen, und eine der 2 Personen stiegen in einem Kasten. Unsere Mutter lag an einer Seite und ich und der kleine Bruder Peter an der andern Seite [Peter Graewe #31810 war im Herbst 1882 fünf Jahre alt, als diese Reise stattfand]. Vater und die andern Männer und Jünglinge zu Pferde. Wenn ein Kamel sich hinlegt, legt es sich das erste auf die Vorderbeine. Steht es auf so erhebt es sich das erste auf den Hinterbeinen. Das gab ein mancher Schrei, denn man fühlte sich so, als ob die Last nach vorne überkippt. Die Wagen und alle schwere Kasten wurden so aufgeladen. Dann war ein Kamel am andern gebunden, und hin und wieder ein Führer auf einem kleinen Esel, der führte die vorderste Kamele am Strick. Als alles so aufgeladen war, war es gegen Abend. Es war heller Mondschein, und ein Komet am Himmel. Die Karavane setzte sich in Bewegung und es war ein sonderbare Zug. Die Karavane schlängelte sich auf den schmalen Wegen längst dem Sande Schluchten dahin. Aber der Weg sah sehr gefährlich, hohe Sandberge, eine Seite und die ander tiefe Schluchten. Diese Nacht lernten wir so recht was es meint “betet ohne Unterlass” [1. Thessalonicher 5,17]. Ich hatte eine Flasche mit Wasser und ein kleiner Lappen mit, und kroch hin und wieder übers Kamel und feuchtete der lieben Mutter ihre Lippen an. Einmal schrie der Führer sehr, warf sich zurück, denn Mutters Seite bekam Übergewicht, und nur Gott allein bewahrte uns hier von dem Tode. So ritten wir die ganze Nacht, bis den andern Tag 10 Uhr Vormittags, dann wurde Halt gemacht um Menschen und Tiere zu laben. Dann wurde die letzte Strecke bis zum Amu Darya Fluss zurückgelegt. Dieser Fluss war so reich an Fischen das wir solches nirgends getroffen haben. Hier wurden die Sachen von den Kamelen abgeladen und die Führer erheielten ihren Lohn. Wie jetzt weiter? Wir waren noch einige 100 Meilen von unsern Bestimmungsort entfernt. Aber hier gab es kein Weg mehr, sondern nur Steige von den Lasttieren. So wurden zehn Boote angenommen. Hier wurden dann wieder alle Kranken, Alte, Mütter und Kinder, die Wagen und Sachen, alles aufgeladen. Das nahm einige Tage. Diese Boote waren 10 Fuss breit [3 m] und 100 lang [305 m], hatten ein Steuer, das Rudern tat der starke Strom. Die junge Mannschaft ritt mit einem Führer den Fluss entlang. Aber wir fuhren dann so auf dem Wasser dahin bis Sonnabend Abend. Auch diese beschwerliche Reise musste die liebe Mutter noch durchmachen. Oft sagte sie, “Paradies, Paradies, wie ist deine Frucht so süss” und keine Klage kam über ihre Lippen. Sonnabend Abend banden sie die Boote wie es verabredet war, denn Sonntag wollten wir am Ufer feiern. Den 27ten Sept. 12 Uhr nachts von Sonntag auf Montag starb die liebe Mutter. Welch ein Schmerz! In so einer Zeit! In einem wilden Walde, am Rande des Amu Darya wurde des nachts ihr Grab gegraben, und sie wurde so gut wie die Verhältnisse es erlaubten eingebettet in einer Kamelskasten. Ihr Sarg hat nicht geglänzt. Montag Vormittag war ihr Begräbnis und wir mussten mit Tränen vom Grabe gehen und einsteigen, und haben ihr Grab nie wieder gesehen. Der liebe Vater konnte dies kaum ertragen. [Er war mit den anderen Männern und Pferden weg.] Bisschen über eine Woche war auch diese Fahrt hinter uns, und auch die mit den Pferden kamen. Aber wie sah es den aus! In all dem Gestrüpp reiten, die Kleider waren zerfetzt, hatten einen sauren Ritt gemacht. Die Gegend wo wir landeten und was unsere jetzt sein sollte, war eine Wildnis. Es lag Schnee als wir landeten. Machten uns für die erste Zeit sehr kleine Zelten, nicht alle hatten Glück dass sie aufrecht drin stehen konnten. Und des Nachts, weil es Gebüsch war, so liessen sich die wilden Tiere hören: der Königstiger mit seiner Bass-stimme und die Schakale mit ihrem Geheul. Aber der liebe Gott schütze das kleine Häuflein auch hier. Wie dankbar waren wir am Ende der Reise zu sein. Aber wo in den Familien so grosse Risse [vom Tod] geschehen waren, die haben des Nachts oft nicht viel Schlaf gefunden, aber ihr hartes Lager mit Tränen genetzt…. Der Anfang war sehr schwer. Aber der Herr half, und oft so fühlbar und wunderbar. Wenn wir Asier auch Älter werden und unsre Tage, für einem und den andern abgelaufen sind, so muss doch ein jeder am Ende seiner Tage so oft an diese Zeit zurückdenken, und sich eine grosse Frage selber stellen: Herr, bin ich Dir noch so nahe, wie damals in der Blüte des Lebens? Diene ich Dir noch so treu als in der Zeit der Not? Bin ich noch so dankbar für all die Liebeserweisungen von Deiner Seite? Bin ich noch das am Krankenbette, wie damals in der Not? Wo man keine Ansteckung fürchtete, ob es Pocken, Typhus oder ein anderes hartes Fieber war? Wie konnten Jünglinge und Jungfrauen so treu Nächte hindurch an solchem Bette wachen, und auf den Knieen [im Gebet] um Linderung anrufen! oder haben die guten Tage uns lassen lau werden? In solchen Stunden der Selbstprüfung wird es oft weich ums Herz und bittet den Herrn um Kraft für Ihn zu zeugen, Ihm zu lieben, Ihm zu dienen, mit aller Kraft des Herzens, bis auch wir werden eingeheimst sein, und dort sein wo Er ist. Der Herr wolle dies Unvollkommene segnen zu Seines Namens Preis und Ehre. Witwe Helene J.J. Warkentin. Wenn am stärksten geh’n die Wogen, bete nur In diesem Brief an die Rundschau berichtet Helena von den tragischen Verlusten zweier Familienmitglieder auf der Asienreise, und erzählt vom Leben in Newton, Kansas. veröffentlicht 23. Feb. 1916 S. 5. Hillsboro, Kansas, den 8. Februar 1916. Werter Editor und Leser! Ich will wieder etwas schreiben. Das Wetter ist heute wunderschön; die Sonne sendet ihre Strahlen so lieblich herab. Doch der Schnee liegt noch fest und will sich nicht so leicht verschmelzen lassen. Es ist eine Zeitlang recht kalt gewesen. Kranke sind diesen Winter viel, und die Grippe macht beinahe in jedem Hause die Runde; so war es bei uns auch. Und sie tritt in diesem Jahr recht stark auf, überhaupt, wenn man sich in der Zeit noch erkältet, ist schwer von ihr loszukommen. Tante [Ehefrau von] Bernhard Schmidt liegt auch schon eine Zeitlang krank, sie fühlt sich in solchen Stunden noch einsamer als sonst. Sie hat schon viele Jahre ihrer Gesundheit halber nicht können zur Kirche fahren. Auch liegt die alte Tante Peter Schmidt [Helena Duerksen #2879] jetzt krank, wohl alt und lebenssatt [sie lebte bis 1933]. Der Herr weiß die rechte Zeit und Stunde. Ein mancher muß weg, der noch so gerne hier bliebe, und ein mancher bleibt, der so gerne schon scheiden möchte. Der Herr verfehlt aber nichts, sein Weg ist gut. Auch der Jüngling Peter Warkentin liegt noch immer auf seinem Siechbette. Weil viele brieflich nach ihm fragen und gerne wissen möchten, wie es mit ihm ist, so will ich hier einiges berichten. So wie vielen bekannt ist, fiel er den 8. Mai in California von einem Gerüst. Dabei wurde sein Rückgrat so beschädigt, daß er von Stund an ganz hilflos war. Da lag er dort einen Monat im Hospital. Dann fuhr seine Stiefmutter Frau A. C. Schmidt hin, ihn zu holen, was ich schon einmal geschrieben habe. Dann brachten sie ihn hier ins Gössel Hospital. Da war er zwei Monate. Dann wurde sein Verlangen so groß, noch einmal zuhause zu sein, daß sie versuchten ihn zu holen. Und es ging noch besser als sie dachten. Und so wird er denn seit sechs Monaten daheim gepflegt. In dieser Zeit hat er mehrere Wochen so schwer krank gelegen, daß wer ihn besuchte, dachte, sein Ende sei ganz nahe. Doch der liebe Gott dachte auch hier wieder anders als wir kurzsichtigen Menschen. Seine Wege sind nicht unsere Wege, daß muß man doch so oft bekennen. Jetzt kann er wieder ein bißchen essen und auch mehr schlafen; kann sich selber etwas lesen. Doch ist es für ihn und für seine Eltern, die ihn pflegen, nicht leicht, und es kostet ernst Gebete. Doch der Herr gibt Kraft, und so bewahrheitet sich recht dieser Vers: Wenn am stärksten geh'n die Wogen, Wenn, von stiller Macht gezogen, Deine Seele aufwärts dringt, Nach dem einen Höchsten ringt, Bete nur! Bete nur! [von Charles H. Spurgeon, 1834-1892] B. G. Dörksens, Kalifornia, Ihren Brief erhalten. Danke! Sie fragen nach meines lieben Eltern Heinrich Gräwen [Heinrich Graewe #265716 und seine Ehefrau Anna Schmidt #86923]. Die Kinder fuhren mit dem Brief hin. Sie hatten sich sehr gefreut und einen Gruß bestellt. Sie wohnen im Städtchen Gössel. Manchmal fühlen sie sich recht einsam; denn Vater kann nicht mehr unter viel Leuten sein, weil er dann große Kopfschmerzen bekommt. Er freut sich aber, oder beide, wenn wir sie besuchen. Er spricht dann oft von seinen vorangegangenen Lieben und wie verstreut sie doch in ihren Gräbern versenkt sind. Ein Sohn [Peter Graewe #265719] von zwei Jahren starb in Rußland. Der andere [Heinrich Graewe #265718], 19 Jahre alt, starb auf der Asienreise, nachdem wir 18 Wochen auf dem Wagen gereist waren und der Winter uns übereilte und wir in der Stadt Taschkent über Winter blieben, wo wir alle das Typhusfieber bekamen und er daran sterben mußte, nachdem er 40 Tage gelegen. Er wurde auf einem Soldatenkirchhof begraben. Dann um ein Jahr, als wir aber auch noch auf der Reise waren, wurde seine liebe Gattin, unsere so heißgeliebte Mutter [Katharina Giesbrecht #265703] so krank, mußte mehrere Wochen so krank auf dem Wagen fahren, dann noch durch die Wüste auf Kamelen, was fast unmöglich war, dann noch auf einem offenen Kahn auf dem Wasser fahren. Dann starb sie und wurde auf dem Lande in einem wilden Walder begraben. Und wir fuhren weiter, haben ihr Grab nie wieder gesehen. Ein bewegtes Leben hat er soweit hinter sich, und das zieht dann so an seinem Geist vorüber. Er hat jetzt 29 Jahre mit dieser zweiten Mutter [Anna Schmidt #86923] zusammengepilgert und mit der ersten beinahe 25 Jahre. Sie Können sich noch selbst besorgen, welches eine große Gnade ist. Doch ich will abbrechen. Bitte um Entschuldigung, daß es zu lang geworden ist: wollte es auch nicht, macht vielleicht, daß ich heute so allein bin, und es ging weiter wie ich sonst wohl wollte. (Wir glauben nicht, daß jemand daran Anstoß nehmen wird. Ed. [Redaktion]) Gruß an alle Leser. Auf Wiedersehen! Hel. Warkentin Quellen
Vorschauen von Walter Ratliffs Preisgekrönter Dokumentarfilm,
"Through the Desert Goes Our Journey" (Durch die Wüste geht unsere Reise).
0 Comments
Leave a Reply. |
WriterIrene Plett is a writer, poet and animal lover living in South Surrey, British Columbia, Canada. Categories
All
|