Kamelkarawanen waren 1881 in Taschkent üblich Foto: 1977 Äthiopien © Mennonite Heritage Archives von Eric Rempel und John Wieler In den Jahren 1880-81 reisten mennonitische Migranten über Berge, durch Wüsten auf Kamelen und mit Planwagen von Südrussland nach Zentralasien. Ihre gefährliche Reise wird in diesen Briefen an die Rundschau und andere Zeitschriften beschrieben. Jetzt mit Autorenfotos, dank Robert Friesen! Es gab Segnungen auf der Reise, etwa als die muslimische Gemeinschaft von Serabulak die mennonitischen Wanderer willkommen hieß. Meine entfernte Verwandte, Helena Graewe Warkentin (1865-1942, #88939), und 20 anderen wurden dort in einer Moschee getauft. Helena erzählt ihre eigene Geschichte in Helenas Asiengeschichte. Nach ihrer Ankunft in Taschkent teilten sich die Siedler in zwei Gruppen auf. Eine Gruppe, meist aus Molotschna, ließ sich in Aulie-Ata, heute in Kasachstan, nieder. Die Graewes schlossen sich der anderen Gruppe an, die zumeist aus Am Trakt stammte und die den größten Umbruch und mehrere Fehlstarts erlebte. Vier Jahre später waren sie wieder auf dem Weg. Ein Bericht zeichnete ein düsteres Bild ihrer Lage: "Die Mennoniten, die eine Heimat in Zentralasien suchten ... haben ihre lange, mühsame Reise als völligen Fehlschlag empfunden, haben das wenige, was sie hatten, verloren, und ihre Freunde in Amerika helfen nun einigen von ihnen, in dieses Land zu kommen." (Herald of Truth, 15. Juli 1884) Eine große Spendenaktion half den Graewes und anderen, in die USA zu reisen. Ihnen stand eine weitere beschwerliche Reise durch die Wüste und die Berge bevor, dann mit dem Zug und dem Dampfschiff zu ihren Zielen in Kansas und Nebraska. Glücklicherweise verbesserten sich die Bedingungen für diejenigen, die geblieben sind. Die Bewohner der Siedlung Aulie Ata bildeten eine blühende Gemeinschaft, von der viele Nachkommen heute in Deutschland und Nordamerika leben. Diejenigen, die in Lausan, Chiwa, Raubüberfälle und sogar einen Mord erlitten hatten, wurden vom Khan in eine Gartenoase in Ak Metschet, Chiwa, umgesiedelt. Ak Metschet gedieh 51 Jahre lang, bis alle 1935 von den Russen deportiert wurden: eine Geschichte für einen anderen Tag. Doch "die Einheimischen errinern sich noch an ihre ausgezeichnete Holzhandwerkskunst, ihre landwirtschaftliche Produktivität und die Einführung neuer Technologien einschließlich der Fotografie." (Reimer, Canadian Mennonite) Ich habe die folgenden Briefe zur besseren Übersichtlichkeit Absatzumbrüche und Aufzählungszeichen hinzugefügt. Tippfehler wurden korrigiert, die moderne Rechtschreibung verwendet, und die Ortsnamen vereinheitlicht; zur besseren Übersichtlichkeit habe ich auch Absatzumbrüche und Aufzählungszeichen hinzugefügt. GRANDMA-Nummern sind für Personen enthalten, die in der hilfreichen genealogischen Datenbank der California Mennonite Historical Society identifiziert werden konnten. Die Preisumrechnungen wurden aus den Angaben der Rundschau-Redaktion im Brief von Gerhard Janzen berechnet. Ich bin Elena Klassen dankbar, die mehrere Briefe aus der gotischen deutschen Schrift transkribiert hat. Sie hat in mühevoller Arbeit viele historische Artikel über Mennoniten in Zentralasien zusammengetragen. Scans der Rundschau-Artikel unten sind auf ihrer Beitragsseite zu Willi Vogts Website Mennonitische Geschichte und Ahnenforschung zu sehen. Ich bete, dass Sie in dieser schwierigen Zeit von COVID-19 in Sicherheit bleiben. Wenn man von den Schwierigkeiten liest, die andere durchgemacht haben, relativiert sich sicherlich das, was wichtig ist. - Irene Plett Zum Inhalt:
Gerhard und Justine Jantzen in früheren Jahren; Fotos erhalten von Robert Friesen Gerhard und Justine Janzen (sie haben das "t" weggelassen) in späteren Jahren Gerhard Jantzen: Brief vom ersten Zug Der Autor dieses Briefes ist Gerhard Jantzen (1847-1912, #342342). Sechzehn Kinder sind in GRANDMA mit seiner Frau, Justina Esau (1854-1918, #342380), verzeichnet; aufgrund dieses Briefes wissen wir etwas mehr über zwei von ihnen. - IUP veröfffentlicht Gemeindeblatt Feb. 1881 S. 14-15, und Mennonitische Rundschau 5. März 1881 S. 1:3. Nachrichten von den Mennonitischen Auswanderern nach Turkestan (Asien). (Fortsetzung) Br. Ed. [Emil] Riesen in Fresenheim (Südrußland) [Am Trakt] machte dem Herausgeber die Mitteilung pr. Karte, daß am 24. Nov. auch der zweite Zug glücklich in Taschkent angekommen ist. Der erste Zug war bereits am 17. Oktober in Turkestan angekommen und wird, wie berichtet wurde, über den Winter in der Nähe von Taschkent auf einem Gute verbleiben. Folgender Brief ist aus dem ersten Zug über die Strecke von Karabulak bis Kasalinsk, 544 Werst [591 km]. Kasalinsk, den 13. Sept. 1880. Im Herrn Jesu geliebte Mutter und Geschwister! Meinen vorigen Brief vom 17. Aug. aus Karabulak werdet Ihr, wie ich hoffe, bei guter Gesundheit erhalten haben. Eine Trauerbotschaft brachte er, indem Euch der Tod unserer kleine Anna [1879-1880, #604457] darin gemeldet wurde. Nun dieser bringt eine Freudenbotschaft, indem ich Euch melden kann, daß meine liebe Frau den 10. d. Mts. [dieses Monats; Sept.] hier durch Gottes gnädigen Beistand von einem gesunden Töchterchen [Elisabeth, 1880-, #601308] entbunden wurde. Mutter und Kind sind nach Umständen sehr wohl. Ja, der liebe Vater hat uns geholfen über Bitten und Verstehen. Sein Name sei gelobt in Ewigkeit. Amen. Nachdem wir uns in Karabulak mit dem nötigen Futter und Lebensmitteln versehen, traten wir den 18. Aug. unsere Weiterreise an und gelangten Sonnabend den 23. Aug. wohlbehalten in Irgis an. Es ist dieses der letzte Ort vor der Wüste, wo etwas zu bekommen ist, und hatten deshalb einige Tage Arbeit, bis wir uns mit dem Nötigsten versorgt hatten, um den Weg durch die Wüste antreten zu können. Wir hatten daselbst kaum unsern Lagerplatz gewählt und ausgespannt, so waren auch schon die Kirgisen da und gleich bereit, uns mit unsern Wagen durch die Wüste zu bringen. Sie forderten nur 40 Rbl. [140 DM] für einen der schwersten Wagen, indem sie vorgaben, 4 Kamele vorspannen zu müssen. Wir erhielten überhaupt die verschiedensten Nachrichten über den vor uns liegenden Weg, bis wir einen Kaufmann trafen, der vor etlichen Wochen mit eigenem Fuhrwerk von Taschkent gekommen und jetzt wieder auf der Rückreise begriffen war. Derselbe zweifelte gar nicht daran, daß wir mit unsern Pferden durchfahren würden, besonders dann, wenn wir auf den schwersten Stellen einander vorlegen wollten. Diesem Rate sind wir denn auch nachgekommen, haben uns dabei auch ganz gut befunden. Zu meinem 2. Wagen, der ohnehin für 2 Pferde schon immer etwas schwer ging, kaufte ich mir in Irgis noch eine Kirgisenstute für 35 Rbl. [122 DM 50 Pf], 5 Jahr alt und in gutem Futterzustand. Für den Hafer mußten wir in Irgis 1 Rbl. 20 Kop. [4 DM 20 Pf] zahlen; kauften ihn von der Militärbehörde aus den Kronsmagazinen, sonst ist keiner zu haben. Für Kalatsch [Weizenbrot] mußten wir pro Pfund [454 g] 7 Kop. [25 Pf], für Fleisch 7-8 Kop.* zahlen. Zum Hafertransport batten wir vier Mann Kirgisen mit 25 Kamelen angenommen, Fracht per Pud [16.38 kg] bis Kasalinsk 45 Kop. [1 DM 57 Pf]; und 4 Rbl. [14 DM] aufs Ganze für Besorgung der Kamele an den Karawanenbasch (Karaw.-Oberhaupt), ohne welchen keine Karawane zu mieten geht. Ich hatte für 7 Pferde 70 Pud [1146 kg] Hafer gekauft. Es wird euch etwas viel scheinen, aber es ist in dieser Wüstenei zwischen Irgis und Kasal[insk] kein Pfund Heu für Geld zu bekommen, so daß wir auch nur auf unsern Hafer angewiesen waren, haben auch nirgend Weide, Rohr oder sonst etwas [für Pferde zum Grasen] angetroffen; nur Kurrei [Steppenläufer] (Salzkraut - R[edaktion]) oder andere stachelige Kräuter und Gebüsche, wohl tauglich für einen Kameel, aber für kein Pferd. Habe aber doch von meinem Hafer ungefähr 10 Pud [164 kg] überbehalten. Wasser haben wir, ausgenommen zwei Stationen, überall hinreichend gehabt. Recht schweren Sand hatten wir nur: 6 Werst [6,4 km] (7 Werst = 1 deutsche Meile - R[edaktion]) die längste Strecke, wo der Weg am Aralsee vorbeiführt. Wir legten uns da vor und fuhren erst die eine Hälfte Wagen durch [mit allen verfügbaren Pferden, auch gemieteten], dann holten wir die andere nach [am nächsten Morgen: F. Bartsch S. 34]. In einem Zeitraum von acht Stunden waren wir damit fertig. Hinter dieser Sandstrecke gleich Station und hinreichend Wasser. Nachdem mußten wir [uns] noch zweimal vorlegen, ungefähr 3 und 2 Werst [3,2 und 2,1 km]. Sonst sind wir überall ziemlich leicht weggefahren. Auf den längsten Strecken hatten wir Lehmboden, stellenweise etwas sehr stückiges. Wenn wir unsere Kamele Tags manchmal nicht sehen konnten, Abends zum Tee stellten sich die Führer immer ein und hielten sich dann ganz frei; nur schade, daß wir uns mit ihnen nicht verständigen konnten. Was wir ihnen zu sagen hatten, ließen wir uns von den Vorstehern der [Post]Stationen dolmetschen. So gelangten wir denn unter Gottes Schutz und Beistand den 9. Sept. glücklich und gesund hier in Kasalinsk an, wollten uns hier zu unserer Weiterreise noch verproviantieren und dann den. 11. Mittags unsere Reise wieder antreten, welches aber, wie zu Anfang meines Briefes erwähnt, durch die Entbindung meiner Frau verhindert wurde. Auch starb Donnerstagabend Wiebes kleiner Jakob [1878-1880, #187429]. Das ist das 11. Kind, welches durch den Tod aus unserer Reisegesellschaft genommen wurde. Es ist, wie wir auf verschiedenen Stellen gehört, dieses Jahr die Kinderkrankheit, woran unsere sämmtlichen Kinder gestorben sind, in dieser Gegend herrschend. So sind auch in Irgis Erwachsene derselben erlegen. So gedenken wir denn, da sich meine Frau ganz wohl befindet, Montag den 15. d. Mts. [dieses Monats]. unsere Reise weiter fortzusetzen. Ach, wir können ja gewiß glauben, daß der treue Herr, der uns gnädiglich bis hierher geleitet und geführt hat, er wird auch weiterhelfen (u.s.w., u.s.w. - R. [Redaktion]). Verbleibe schließend Euer Euch liebender Bruder in dem Herrn, Gerh. Jantzen. Nachtrag: Muß noch kurz bemerken, daß wir die Melonen und Arbusen [Wassermelonen], welche wir schon in Irgis zu treffen glaubten, erst hier getroffen haben. Melonen wie Arbusen das Stück 3-5 Kop. [11-18 Pf], aber viel mehr wert wie bei Euch. Hier in Kas. leben wir alle Mittag von Fischen; Wels und Karpfen. 15 Pfund [“Pud”; 7 kg] kosten 14 Kop. [49 Pf], wenn man handelt noch billiger. * 8 Kopeken = 28 Pfg., ein Rubel etwa 3 ½ Mark, 1 Pud = 40 Pfund [genauer: 36,11 Pfund oder 16,38 kg.] Die Redaktion der Mennonitischen Rundschau hinzufügt: Nach jetzigem Kurs wären es 8 Kopeken = 4 Cents, und 1 Rubel = 50 Cents. Peter Dyck: Zug Nr. 1 ist angekommen Peter Dyck (1835-nach 1881, #276108, Duplikat #1353054) von Köppental, Am Trakt, war wohlhabend und half oft bedürftigen Familien auf dem Weg. In einem Planwagen und einem kleinen offenen Wagen reiste er mit seiner Frau Katharina Penner (-nach 1879, #276109), den Töchtern Marie und Agathe und einem Dienstmädchen namens Anna. Weitere Einzelheiten zur Familie finden Sie unten. Weil Peter Asthma hatte und körperlich nicht stark war, war sein Neffe Gerhard Dyck, Sohn von E. Dyck aus Hohendorf, ihr Fahrer. Als Gerhard schwer an Typhus erkrankte, übernahmen andere die Leitung, bis er wieder gesund war: Johann Kopper und Cornelius Wall, und sogar das Dycksche Dienstmädchen Anna. (F. Bartsch, Unser Auszug, S. 37, 68, und Gemeindeblatt). Mir gefiel Peters "romantische" Beschreibung von Taschkent und die fleißige Arbeit bei der Vorbereitung von Wohnungen für ihre Nachfolger, während sie auf eine dauerhafte Bleibe warteten. - IUP veröffentlicht 1. Apr. 1881 S. 2 (Auszug vom Gemeindeblatt März 1881 S. 20-22). Asien. Kaplanbek, 25. Okt. 1880. Wiederum ist es das „Gemeindeblatt“, welches eine Original-Correspondenz von einem Bruder bringt, der unter den Auswanderern nach Turkestan ist. Wir beschränken uns darauf, dem langen Berichte nur den für weitere Kreise interessantesten Teil zu entnehmen: Den vorletzen Tag [unserer Reise], die 3. Station von hier kam uns schon ein Beamter entgegen, uns unsern einstweiligen Aufenthalt anzugeben. Er nahm Br. W. [Wilhelm] Penner [#387974, siehe unten] in seine Kutsche, und fort ging's mit seinem Dreigespann. Br. Penner wurde des andern Morgens zu Pferde, begleitet von 4 Kirgisen, zu uns gebracht. Der Beamte war mit Br. P. hier auf Kaplanbek gewesen und hatte ihm diese Gelegenheit gezeigt. Die Kirgisen mußten uns nun hinbegleiten, einen Richtweg, daß wir nicht nach der Stadt brauchten, welches ein Umweg von 50 Werst [53 km] gewesen wäre. Es war dieses von Herrn Kaufmann (dortigem Generalgouverneur) veranlaßt, und tat uns solches Entgegenkommen sehr wohl. Der Weg, mehr ein Feldweg, war aber für unsere Wagen nicht zum besten. Tante Janzen war ein Rad schon länger sehr schlecht; hier ging's nun ganz auseinander, so daß ein Baum untergeschoben werden mußte, und sie auf drei Rädern ans Ziel kam, ein Beweis, daß es nun mal weit genug sei. Von hier nach der Stadt Taschkent ebenfalls ungefähr 8 Werst [8,5 km] schlechter Weg, d.h. mit schlechten Stellen. Wir haben um Ausbesserung gebeten; das soll schon heute unter unserer Aufsicht geschehen. Dicht neben uns, wenige Schritte ab, wohnt ein reicher Kirgise, Namens Schönebeck, in einem gewöhnlichen runden Zelte (Kibitki), hat 3 Häuser in der Stadt, in einem ist ein Handlungsgeschäft. Er muß auch sonst in Ansehen stehen, denn er hat Auftrag, uns in Allem behilflich zu sein, was uns fehlt, beizuschaffen, ja uns sogar die Pferde, die wir verkaufen wollen, abzukaufen. Der Beamte, der uns entgegen kam, frug auch gleich, ob uns etwas mangle: Holz, Gerste, Mehl u.s.w., aber wir waren mit Allem versehen. Ich habe vergessen, zu erwähnen, daß uns in Taschkent die Pässe abgefordert wurden, die mit der Post vorausgingen. Auf allen Stationen früher schon wartete man auf uns, d.h. nur in dem Sinne, weil man von unserm Kommen durch die Postreisenden, die uns getroffen, erfahren. Auf der letzten Station, wo wir von der Poststraße abbogen, hatte sich der Vorsteher sehr erkundigt, wie viel Vorschuß wir genommen, würden doch jetzt nehmen! Doch Gott sei Dank, wir konnten das noch verneinen. So sind wir denn, wie schon erwähnt, 15 Wochen auf der Reise gewesen und können dem Herrn nicht genug danken. Es hat wohl lange gedauert; aber unsern Pferden kam es immer zu gut, wenn wir einmal einen halben Tag stillliegen mußten. Hier nun auf Kaplanbek entfaltet sich gleich ein reges Leben. Es ist hier ein Wohnhaus mit sechs heizbaren Zimmern, eins aber nur, wo Türen und Fenster dicht waren. Hier kamen nun die Kranken hinein und somit auch ihre Angehörigen. Hierdurch genießen wir nun die Entschädigung für die Beschränkung auf der Reise. ...Es wird fleißig an den Wohnungen, auch für die Nachkommenden geschafft. Es sind da hohe Lehmwände aufgeführt und in drei verschiedene Vierecke geteilt. An der offenen Stelle stehen Ständer. Hier lassen die Freunde Fenster und Türen einsetzen und somit eine dichte Wand ziehen. Bis 20 und mehr Sarten kleben in kurzer Zeit die Wände auf. Fenster und Türen mit Gerüsten sind fertig in Taschkent zu kaufen und geholt worden. Mittelwände stehen viele passend da, und so sind viele Wohnungen rasch fertig geworden. Es ist heute der 30. d. Mts. [dieses Monats, Oktober 1880], da ich dieses schreibe. Hat diese Nacht schon etwas gefroren, und denken wir viel an unsere nachkommenden Brüder. Es ist ohnedem den hiesigen Leuten ein Wunder, daß jetzt noch immer schön Wetter ist; denn sonst ist hier schon die Regenzeit. Ein Lehmhäuschen steht für sich allein vor unserer Tür. Da werden jetzt die innern Wände ausgebrochen, um einen möglichst großen Raum zum Schulhaus und Andachtshaus zu gewinnen. Die Lage dieser Wirtschaft ist ganz romantisch. Wir mußten durch einen Fluß fahren, dann gings bald in eine Weidenallee, die sich an dem Wohnhause vorbeizieht bis zu einem Wäldchen. Alles angepflanzt. Schon sehr hohe Bäume, meistens Pappeln, aber mit sehr großen Blättern, ähnlich denen des Ahorn. Hinter dem aufsteigenden Walde ein breiter Graben, woraus die Bewässerung erfolgt. Auch jetzt rauscht noch fast täglich Wasser durch das fallende Laub. Weil’s dem Hause zu an einer Stelle etwas steil fällt, so dürfen wir nur einige Schritte gehen und den Eimer unterhalten. Etwas entfernter sind verschiedene Baumgruppen, die die Aussicht verschönern, so auch Kirgisenwohnungen, wo die Lichter des Abends so nachbarlich herleuchten. Dann noch weiter entfernt die hohen Gebirge Karataus, wo so ganz deutlich auf verschiedenen Stellen der Schnee zu sehen ist, der hier schon im Sommer nicht schmilzt. Wir sahen schon, daß leichte Wolkenschichten sich niedriger lagerten, und die Schneespitzen die Wolken überragten. Das ist dann ein großartiger Anblick, wornach viele reiche Leute Meilen weit reisen würden. Von uns sollen die Gebirge 80 Werst [85 km] entfernt sein. Auch einen Marktflecken haben wir in unserer Nähe, nur 1 Werst [1 km]. Doch als wir das erste Mal hinschickten, kauften wir Alles, was zu haben war, auf. Nach der Stadt sind’s 15 Werst [16 km], die Hälfte schlechter Weg, dann aber sehr gut auf der Poststraße. Ich war schon mit Frau und Kindern hingefahren. Lange vor der Stadt schon immer in Alleen zu fahren und andre angenehme Abwechslung. Die Stadt selbst hat Jac. Hamm (unser Deputierter) nicht so schön geschildert, wie sie ist. Nun er war im Winter hier. Jetzt ist jede Straße eine dunkle Allee, sehr hohe Bäume, nicht eine Reihe, nein zwei und drei Reihen. Kommt man dann an eine Kreuzstraße, so sieht man nur Alleen, die Straßen schön gerundet, und hinter den Alleen lugen dann die Gebäude hervor, viele auch schon recht prachtvoll, sogleich vorne das Gymnasium in 5 zweistöckigen Gebäuden. Die Ladenpreise sind hier wenig teurer wie in Saratow. Das Fensterglas allerdings ist teurer u.s.w. u.s.w. Die Brüder Herm. Jantzen [#342340] und [Wilhelm] Penner stellten sich in den ersten Tagen auch Gouv. Kaufmann vor. Hat sie auch freundlich angeredet: „Ihr H.H. Mennoniten, seid ihr endlich da?“ Über die 15 Wochen [der Reise] hatte er gesagt: „Wahrlich kein Spaß!“ Sehr teilnehmend nach den [11] gestorb. Kindlein sich erkundigt und dann gesagt: „Ihre Aufgabe nun, für die nachkommenden Brüder zu sorgen.“ Da unter Anderem Br. W. Penner ungefähr gesagt: der liebe Gott habe sie auf der Reise geleitet, habe er gesagt: „Gott wird auch weiter für Euch sorgen!“ und sich dann für diesmal empfohlen. Morgen soll uns angewiesen werden, wo noch gepflügt werden soll. Euer Bruder, Peter Dyck ["Dyrk"]. Im Jahr 1883 heiratete Tochter Marie (1863-1960, #87024) Abraham Dirks (1860-1943, #87413) in Lausan, Chiwa. Als die Siedlung aufgelöst wurde, wanderten sie mit ihrem kleinen, in Turkestan geborenen Sohn Abraham auf der S.S. Ems nach Amerika aus. Sie bekamen 11 weitere Kinder in Kansas. Weitere Einzelheiten über Tochter Agathe und die Eltern sind nicht bekannt. Die Angaben zu ihrer Familie wurden aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Robert Friesens Mennoniten in Mittelasien nennt die Familie in Zug 1 aus einer maßgeblichen Liste (S. 313), die half, Peter zu identifizieren, als sein Name hier falsch geschrieben war. Die Memoiren von Franz Bartsch enthalten einige familiäre und persönliche Details (er nennt ihn "P.D."). Die längere Fassung des Briefes von Peter im Gemeindeblatt enthält auch Familiennamen. GRANDMA hat Peter mit 2 Nummern, eine mit zwei verheirateten Töchtern (Marie und Margarethe, die mit ihrem Mann in Molotschna zurückblieb), die andere mit seinem Geburtsdatum. In einem Tagebuch von Margarethe Jantzen (1865-1910, Nr. 4955), Tochter von Jacob Jantzen (1826-1882) und Renate Dyck (1823-1888), aus den Jahren 1880-1881 wird erklärt, dass Peter der Onkel der Autorin war. - IUP Johannes Penner: Brief vom 2. Zug Johannes K. Penner (1850-1924, #342334), ein Lehrer und Pfarrer, war mit seiner Frau Helena Jantzen (1856-1936, #4931) und mehreren Kindern im zweiten Planwagenzug aus Am Trakt. Elizabeth Unruh Schultz (1866-1943, #282168) erinnerte sich an ihn als einen geistlich begabten Mann, der Bibelstudien und Chorproben mit der Jugend in Asien abhielt (S. 187, Aus Preusen). - IUP veröffentlicht 5. Mar. 1881 S. 1-2. Orsk, 18. Sept. 1880 Mein lieber Bruder Riesen! Der Friede des Herrn Jesu sei mit Dir und den Deinigen. In Eile einige Zeilen, um Nachricht von unserer Reise zu geben. Mittwoch den 10. Sept. Nachmittag sind wir von Orenburg abgefahren. Wir wurden dadurch abgehalten, früher aufzubrechen, daß sich Montag Abends Fr. Fröses ältester Sohn den rechten Arm gebrochen hatte, was Ihr wohl wissen werdet. Es steht ziemlich gut mit ihm. Vor einigen Stunden sind wir hier angekommen (11 Uhr Vorm.). Nachmittag sollen die nötigen Einkäufe zur Weiterreise gemacht, und dann, so Gott will, morgen früh aufgebrochen werden. Einige Nachrichten von dem Orenburg-Orsker Wege: Mangel haben wir auf demselben nicht gehabt, Menschen und Tiere haben stets reichlich gehabt. Hafer kostete 80-100 Kop. [2,8-3,5 DM], in Orsk auf Nachfragen 50-80 Kop. [1,8-2,8 DM]. Wir wollen 400 Pud [6552 kg] kaufen. Zu dem, was wir davon nicht laden können, sollen Fuhren angenommen werden. Der genannte Weg war interessant; vielleicht wird er der interessanteste der ganzen Reise bleiben; wir passierten nämlich die südlichen Ausläufer des Uralgebirges. Obwohl dieses Gebirge mehr sanfte Kuppen hat, so konnten wir uns doch von dem Geschauten ein Bild von Gebirgslandschaften machen, besonders da, wo die Felsen, von der Humusschicht, die hauptsächlich das Ganze bedeckt und mit dichtem Steppengrase bewachsen ist, entblößt kahl und nackt hervorstarren. Der Weg ist im Ganzen genommen gut, allein einzelne Partien sich schlecht, sehr schlecht; wozu die Auffahrt über die Höhe des Gebirgszuges gehört; zwischen Bergen und Felsen, auf schmalem steinigem Wege, der an manchen Stellen kaum so breit ist, daß zwei Wagen an einander vorbeifahren können, geht es lange Zeit, mir wurde sie der armen Pferde und der Wagen wegen viel zu lang, immer bergan. Ein Pferd von Onkel M. Klaaßen ist, jedenfalls in Folge der Strapazen dieses Weges, unbrauchbar geworden und mußte verkauft werden. Sonst steht Alles gut, wofür dem Herrn herzlicher Dank gebracht sei. Unsere Kinder sind recht gesund, bedeutende Erkrankungen sind in der ganzen Gesellschaft keine.... Johannes Penner. Kornelius Gooßen: Tagebuch des 3. Zuges Kornelius Goossen (#37047; Anmerkungen zur Familie sind unten aufgeführt) liefert ein tägliches Tagebuch über den größten Treck von Molotschna. Neben Reisenotizen gibt er drei Geburten und sieben Todesfälle während der viermonatigen Reise an. Die restlichen drei Geburten und zwei Todesfälle waren wahrscheinlich vom 25. September bis zum 19. Oktober, in dem fehlenden Abschnitt, der nie veröffentlicht wurde. Als er in Taschkent ankam und sich in einer der 56 mietfreien Wohnungen einrichtete, die den Siedlern zur Verfügung gestellt wurden, saß seine Familie bald "in unsere neue Wohnung eingezogen und sitzen in der warmen Stube am Kamin und trinken an unserm Tische Tee." Über die Menschen sagt er, sie sind “so freundlich gegen uns, nur schade daß wir nicht mit ihnen sprechen können; es ist uns auf dem Wege auch nie Furcht eingekommen vor schlechten Menschen.” Trotz der Strapazen der Reise beteuert er: "zurück möchten wir es nicht fahren, wir wünschen uns auch gar nicht zurück." - IUP veröffentlicht 20 Jan 1881 S 2:2. [Orenburg, Sept. 1880] Notizen, geschrieben auf der Reise nach Turkestan: Geliebte Geschwister! Indem uns der Geist schon oft gemahnt hat, daß wir schreiben sollten, und auch Gelegenheit gewesen wäre, den Brief auf die Post zu geben, kann ich mich jetzt nicht länger entschuldigen, daß keine Zeit ist zum Schreiben. So ergreife ich denn die Feder und will, so viel als der Herr mir Gnade gibt, von unserer Reise die Hauptstücke bemerken. Unsere Reise ganz und ausführlich zu beschreiben würde zu viel Zeit und Papier erfordern. [Juli-August 1880] Also von Waldheim am 31. Juli [1880] abgefahren, sind wir durch Gottes Gnade Sonnabend den 2. August bis Mariupol gekommen; Sonntag, Montag und Dienstag am Fluß Kalmius gelegen; diese drei Tage sehr geregnet. Mittwoch sind wir auf dem Prahm [Lastkahn] über den Kalmius gefahren und auf dem Berge über Nacht geblieben. Donnerstag den 8ten unsere Reise gesund und froh weiter fortgesetzt. Auch diese Woche wieder viel Regen bekommen. Sonntag den 11. August sehr geregnet. Den 13. August bei Rostow angekommen. Eine Tagreise vor Rostow schon guter trockener Weg, aber ungeheure Gründe. Donnerstag den 14ten bei Novotscherkask angekommen. Von dieser Stadt könnte viel erzählt werden von dem, was das Auge Prachtvolles darin sehen kann; sie ist so prächtig und groß. Freitag den 15ten geregnet. Sonnabend den 16ten sind wir an den Fluß Donetz gekommen und am Montag auf dem Prahm übergesetzt. Dienstag geregnet. Diese Woche haben wir sehr viel sandigen Weg gehabt; sehr schwer zu fahren. Sonnabend den 23. August über den Don gefahren. Ich muß bemerken, daß der Herr uns immer sehr glücklich übergeführt. Sonntag ausgeruht. Montag den 25ten [geschrieben “24ten”; Daten wurden bis zum 6. September korrigiert] 60 Werst [64 km] gefahren. Dienstag den 26ten an die Stadt Zarizin [heute Wolgograd, war auch Stalingrad] gekommen, welche an der Wolga liegt. Mittwoch Mittags weiter gefahren. Donnerstag den 28ten, als wir eben im Nachtquartier waren, hat der Herr zu uns geredet durch Donner und Blitz und großen Regen. Freitag den 29ten an die Wolga gekommen; haben zwei Tage gebraucht, bis wir Alle hinüber waren, d.h. mittelst eines Prahms, der von einem Dampfschiff ins Tau genommen wurde. Es kostete 60 Kopeken [2,1 DM] für den Wagen. Sonntag den 31sten haben wir das heilige Abendmahl unterhalten und folgende Personen in unsere Gemeinde aufgenommen: Schmidten von Waldheim, Ekken von Friedensdorf und Johann Martens von Wernersdorf. [September 1880] Montag, Dienstag und Mittwoch gefahren. Donnerstag den 4. Sept. Ruhetag. Blumenort Joh. Klassens ist eine Tochter geboren; Alles schön gesund. Freitag den 5ten wieder gereist. Sonnabend den 15ten ist Kornelius Unruhs [1840-1909, #72913], Gnadenheim, eine Tochter geboren. [Der Schreiber meint vielleicht Sa. 6. 9. oder Mo. 15. 9.; Kornelius' Tochter, Elizabeth Unruh Schultz, sagte in ihrer Autobiographie, dass ihr Bruder Heinrich etwa 17 Tage nach der früheren Geburt geboren wurde.] Sonntag den 7ten Ruhetag. Montag gefahren und die Stadt Nowosensk [schreibt Nowesen] erreicht, wo die Wolgaer Brüder schon drei Tage auf uns gewartet. Diese Stadt ist 120 Werst [128 km] von ihrer Kolonie [Am Trakt] entfernt. Diese Geschwister, die noch zurückgeblieben, nahmen hier Abschied von uns. Dienstag und Mittwoch bis Mittag gelegen. Bis Sonntag jeden Tag 60 Werst und darüber gefahren. Montag gefahren und Dienstag den 16ten in der Stadt Uralsk angekommen. Freitag den 19ten Klaßens, Blumenort, ihre kleine Tochter begraben; einige Tage krank gewesen. Sonntag den 21ten Funken ihre kleine Tochter von über 1 Jahr zur Grabesruhe gebracht. Schon seit einigen Tagen hört man hin und wieder von Durchfall und Unwohlsein, welches beides auch bei uns gewesen ist, doch sind wir durch Gottes Gnade jetzt wieder gesund. Auch schlimmen Augen herrschen sehr in unserm Zug. Die letzten [früher] drei Tage sind wir längs dem Uralflusse gefahren; viel Wald. Einen halben Tag sind wir im Gebüsch und Wald gefahren. Dieser Fluß ist die Grenze zwischen Europa und Asien. Montag den 22ten sind wir über den Fluß gefahren; sind nun also in Asien. Nun haben wir den Fluß an der linken Seite. Bis Orenburg sind es noch 120 Werst [128 km]. Dienstag den 23ten haben wir Regen mit sehr starkem Wind. Bis jetzt hatten wir sehr schönes Wetter. Mittwoch den 24ten sehr kalter Wind, doch hatten wir denselben im Rücken. Donnerstag Vormittags haben wir die große Stadt Orenburg durch Gottes gnädige Führung erreicht. Es ist etwas kälter als gestern. Nun wollen wir uns mit Proviant für 8 Tage versehen und gedenken morgen wieder weiter zu reisen.... Fortsetzung veröffentlicht No. 22, 15 Apr 1881 S 1-2, Anmerkung der Redaktion S. 3. Der Reisebericht des K. Gooßen wurde uns von einem Leser aus Rußland mit folgenden Begleitworten übersandt: „In der letzten Nummer (Nr. 16) der „Rundschau“ lese ich einen Bericht von der Reise nach Turkestan, und da unsere l. [liebe] Freunde in Amerika immer neugierig sind, Nachrichten aus der alten Heimat zu vernehmen und besonders von den Turkestanreisenden, so übersende ich der Redaktion einen Auszug aus einem Briefe von K. Gooßen, der hier neulich für einen Bruder P.G. angekommen ist.“ – So ist es richtig, lieber Freund; du hast uns durch die Zusendung dieses Reiseberichts einen wesentlichen Dienst erwiesen. - Redaktion Asien. Taschkent, 1. Januar 1881. Im Herrn geliebte Geschwister und Eltern! Wir glauben doch daß Ihr unsern zweiten Brief, den wir in Irgis auf die Post gegeben, werdet erhalten haben. [Der zweite Brief wurde nicht veröffentlicht.] Hier folgt nun der dritte. [Oktober 1880] Den 20sten Okt. sind wir auf Mittag in Gottes Namen von Irgis abgereist in die Wüste hinein, gleich schwerer Weg; am 21. der Weg leicht, sehr schönes Wetter; am 22. etwas mehr Sand, sehr heiß, 45 Werst [48 km] gefahren; bis am 25. sehr schönes Wetter und guter Weg und 7 Werst [7,5 km] Sand. Sonntag den 26. an einem Landsee Ruhetag gehalten, am 27. kalten Wind 3 Werst [3,2 km] Sand; es geht uns sehr gut, Alle gesund; am 28. bis 8 [8,5 km] und am 29. bis 10 Werst [11 km] Sand, etwas kalt. Am 30. sind wir durch Gottes Güte und Hilfe durch die Wüste hindurch und in die Stadt Kasalinsk gekommen; von Irgis bis Kazalinsk sind 20 Poststationen oder 360 Werst [385 km]. Die Wüßte wurde uns in der alten Heimat so schwierig dargestellt daß es fast unmöglich wäre zu reisen, und uns selbst war die Sache recht bedenklich wegen dem Sand und nun wären wir es bald nicht inne geworden; wenn Ihr euch noch erinnert an Münsterberg und Tiegenhagen, da geht es zuweilen schlechter; haben auch (außer einem Tage) immer Wasser genug gehabt für die Pferde. Den 31. haben wir uns mit Futter und Nahrung versorgt; hier diesseit der Wüste ist nicht Hafer und Heu, sondern Gerste und Klee, für die Gerste zahlten wir 1 Rub. [3,5 DM] Per Pud [16,38 kg] und Klee 3 Kop. [11 Pf] für eine Garbe. [November 1880] Am 1. November sind wir durch Gottes Gnade wieder abgefahren; sehr kalt, bis am 5. sehr gefroren, dann wieder warm daß die Kinder barfuß laufen; am 6. nach der Stadt Kamieschi gekommen, hier Futter und Nahrung besorgt und am 7. früh weiter gereist. Am 8. starker Ostwind. Sonntag am 9. ein heller Tag und in einem Stalle Gottesdienst gehalten, unser Sohn Peter [#1324999] krank geworden. Am 10. heiter und schön; am 11. in der Stadt Fort-Perovsk [geschrieben “Fortgeroffke”; heute Kysylorda] angekommen, 10 Grad [Ré] kalt [12,5°C]. Der alte Wedel von Waldheim [Johann Wedel, 1786-1880, #56526] ist des Nachts verschwunden; er war gegangen, seine Notdurft zu verrichten und da wir an einem großen Fluße [Syr-Darja] waren, so glaubten wir, ob er ist in den Fluß geraten; haben es in der Stadt gemeldet am 12. da gelegen und gesucht, jedoch keine Spuren. Am 13. sind wir weitergefahren; ziemlich kalt, ebenso auch am 14. Ihr lieben Geschwister werdet wohl sagen: Wie muß es euch doch aber schlecht gehen bei solcher Kälte. Darauf antworte ich: Unser Vater im Himmel sorgt für uns und wir sind unverzagt; Holz und Wald finden wir hier so viel es könnten noch tausend Familien hier reisen dann würde noch nicht zu sehen sein, daß es weniger würde; dann machen wir Kohlen von Holz und nehmen sie im Eimer in den Wagen und der Ofen ist fertig. Rindfleisch oder Schaffleisch kaufen wir hier zu 5 Kop. [18 Pf], und Fische, solche welche bei Euch 30 Kop. [1 DM 5 Pf] kosten kaufen wir zu 10 Kop. [35 Pf]. Am 15. sind wir nach der Stadt Schulikk, es sind von Fort-Perovsk bis Schulikk 170 Werst [182 km]. Sonntag am 16. schönes Wetter, am 17. wieder kalt, am 18. starker Nachtfrost, des Tages sehr schön. Unser Sohn Peter noch immer krank. Am 19. und 20. kalt, am 21. sehr geregnet, auf Mittag in der Stadt Turkestan angekommen, von Schulikk bis [der Stadt] Turkestan sind 208 Werst [222 km]. Heute ist Dietrich Wiensen [#25820] ihr Sohn Dietrich [#343775] gestorben, über 14 Tage krank gewesen; einen Sohn Namens Aaron haben Wiensen in der Wüste begraben. Johann Bärgens [#9344] von Fischau ein kleiner Sohn geboren. Hier zahlen wir:
Am 22. haben wir bei sehr schönem Wetter unsere Reise durch Gottes Gnade wieder angetreten; Sonntag am 23. bei einem hübschen Dorf Ruhetag gehalten, etwas kalt. Ich muß noch bemerken, daß wir uns recht des Brennholzes halber nach dem Walde sehnen, welchen wir nun hinter uns haben; doch hier auf der Steppe sind solche hohe „Strempel“ (Holzähnliche Stämme einiger hohen Steppenkräuter - Editor) welche sehr brennen, die sammeln wir oder kaufen sie von den Kirgisen. Am 24. und 25. sehr glücklich gereist, sehr schön, die Sonne erwärmt uns. Am 26. des Abends die Stadt Tschimkent erreicht; heute hatten wir schweren Weg, der Schnee welcher hier gelegen, war aufgetaut; von [der Stadt] Turkestan bis Tschimkent sind 150 Werst [160 km]. Am 27. sehr geregnet, Ruhetag gehalten und Fischauer Bärgens ihren kleinen Sohn begraben; 6 Tage alt geworden. Am 28. sind wir wieder aufgebrochen, sehr warm; am 29. geregnet und wir hatten einen sehr großen 3 Werst [3,2 km] hohen Berg zu übersteigen.; das schien uns fast unmöglich, machten gleich fertig zu 4 Pferden und kletterten bis Mittag alle hinauf; heute nur 8 Werst [8,5 km] gefahren. Da sind uns 4 Wolgaer Brüder, welche vor uns gereist sind entgegengekommen und haben uns eine große Freude erzählt, daß unsere Wohnungen in Taschkent schon fertig wären. Sonntag den 30. schönes Wetter, Kor. Ekken, Friedensdorf, einen kleinen Sohn begraben. [Dezember 1880] Am 1. Dez. sehr schön, die Kinder laufen barfuß. Dienstag den 2. Dez. sind wir durch Gottes gnädige Führung in der neuen Heimath in Taschkent eine Stunde vor Abend angekommen; jetzt sind wir da, wohin wir uns auf unserer beschwerlichen Reise oft gewünscht haben, u. wie uns jetzt zu Mute ist werdet Ihr lieben Geschwister wohl mitfühlen, und wir danken unserm Vater im Himmel durch Jesum Christum daß Er uns Alle Gesund unsere neue Heimat hat erreichen lassen. Am 3. geregnet; am 4. sind wir in unsere neue Wohnung eingezogen und sitzen in der warmen Stube am Kamin und trinken an unserm Tische Tee. Seht l. [liebe] Geschwister, das hat der Herr unser Gott durch General Kaufmann getan, daß wir 56 Wohnungen haben fertig gefunden, und noch dazu ein großes Haus zur Schule und wo wir Gottesdienst halten können; es wird schon Schule gehalten, unser Schwager Jakob Janzen ist Lehrer. Nun werdet Ihr auch neugierig sein zu wissen, was die Reise gekostet hat. Von Waldheim bis hier, 3900 Werst [4200 km] in 4 Monat gereist, hat 220 Rub. [770 DM] gekostet. Es ist auf der Reise so manches vorgefallen auch schwierige Stellen, und zurück möchten wir es nicht fahren, wir wünschen uns auch gar nicht zurück; jedoch wenn ich die ganze Sache so äußerlich betrachte, hat man doch keine Durchsicht wenn wir unser eigen Brot werden ernten oder essen können. Die Gerste kostet hier 65 Kop. [2,3 DM] das Pud, Klee 3 ½ [12 Pf] die Garbe; im Ofen zum Heizen hatten wir im Anfang Holz; das war aber zu teuer, jetzt heizen wir mit Rohr das Bund zu 5-6-8 Kop. [18-28 Pf]; das ist aber viel länger als wir aus der alten Heimat gewohnt sind. Hier ist auch schon etwas zu verdienen; Kiesel fahren für die Krone zur Chaussee [Landstraße], ich habe 6 Fuhren beigeren; auch habe ich zu den Feiertagen 3 Paar Schuhe gemacht. Nun stehen wir vor den Feiertagen und es ist noch sehr gelindes Wetter, es hat noch nur eine Nacht an den untersten Fensterscheiben ein wenig gefroren. Am [Sat.] 20. Dez. ist unsere Tochter Anna [#1451454] krank geworden, es wird wohl das Fieber sein; heute Sonntag nach dem letzten Freitag ist sie noch krank die mehrste Zeit im Bett. In der alten Heimat wurde uns das Volk was wir antreffen würden, als grausam geschildert; wir müßten uns mit Gewehren versehen u.s.w.; es hat sich aber ganz anders gestaltet; das Volk ist so freundlich gegen uns, nur schade daß wir nicht mit ihnen sprechen können; es ist uns auf dem Wege auch nie Furcht eingekommen vor schlechten Menschen. Liebe Geschwister, wie steht es dort in der alten Heimat und wie geht es Euch Allen? Wir sind schon recht neugierig, Nachricht von Euch zu erhalten, müssen aber noch lange warten denn wir sind sehr weit voneinander entfernt. Sollte es denn des Herrn Wille sein uns schon nicht mehr zu sehen in diesem Leben? Oder ist euch vielleicht unser Auszug auch schon etwas klar geworden, daß wir nahe an der Zukunft des Herrn sind? Prüft die gegenwärtige Zeit.... Ein Mehreres wie es hier ist, und von Landannehmen, wie und wo, werde ich ein andermal berichten. Fünfzehn Jahre sind wir von Allem [vom Militärdienst] frei. Nun Euch dem Herrn anbefohlen bitte ich dieses Schreiben in Liebe anzunehmen mit innigst herzlichen Grüßen von uns gesendet. Grüßet doch alle Onkel, Tante, Nichten und Vetters. Ihr kennt sie ja Alle, denn an Alle zu schreiben erlaubt uns die Zeit nicht, doch unsere tägliche Bitte ist, daß der Herr uns Alle würdig und geschickt machen wolle vor Ihm zu stehen. Seid nochmals gegrüßt von Euren Geschwistern. Kornelius Goossen. Anmerkungen zur Familie: Kornelius (#37047) und seine Frau Anna Neufeld (geb. 1912, #37048) aus Lindenau, Molotschna, haben vier Kinder, die in GRANDMA aufgeführt sind. Es fehlen Informationen über Peter #1324999 und Anna #1451454, die beide im Tagebuch des Vaters krank waren. Möglicherweise sind sie zwei von über 30 Mitgliedern der Gruppe, die in Taschkent starben. Die fleißigen Jugendlichen hatten die Warnungen der Einheimischen ignoriert, bei der großen Hitze zwischen 10 und 16 Uhr nicht zu arbeiten (Schultz S. 22). Zwei Kinder doch überlebten. Tochter Helena Gossen (geb. 1879, #407285) heiratete Peter Isaak Penner (1876-1943, #286251), und sie wurden Gründungssiedler von Alexejewka, Aulie-Ata. Drei Töchter sind in GRANDMA aufgeführt. Sohn Cornelius Gossen (1867-1941, #37049) heiratete Margaretha Wedel (1873-1938, #37050). Margaretha hat in Taschkent ihre beiden Eltern und einen Bruder verloren. Das Paar ließ sich in Nikolaipol, Aulie-Ata, nieder und hatte elf Kinder. Im Jahr 1910 wanderten sie nach Corn, Oklahoma, aus, wo beide mit zehn Kindern und vielen Enkelkindern auf dem Mennoniten-Brüderfriedhof begraben sind. - IUP Heinrich Funk: Zug Nr. 3 ist angekommen Der Autor, der im dritten Planwagenzug (nach Ankunftsdatum) war, bietet eine andere Perspektive auf die Reise, zusammen mit Ratschlägen für andere Reisende aus Molotschna: “Fahrt bis zur Wolga zu Wasser, Unterwagen nehmt mit, und dort macht ihr euch einen Wagenkasten, Holz ist dort sehr billig und Pferde auch, denn dort ist der Weg gerade am schlechtesten.” Doch zuerst: “macht Euch nur mit Gottes Hilfe auf die Reise. Er hat uns geholfen und wird auch Euch helfen, wenn Ihr euch nur auf Ihn verlaßt.” Der Autor identifiziert sich in diesem Brief als H. Funk. Er ist wahrscheinlich Heinrich Funk #277721 (1839-), dessen Familie von 6 Mitglieder 1882 von Taschkent nach Aulie-Ata zog. Nach der Geburt eines weiteren Kindes wanderten sie 1885 mit vielen anderen Migranten aus Asien auf der S. S. Elbe nach Amerika aus. - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 15. Apr. 1881 S. 2:2-3. Taschkent, 22. Dezember 1880. Gott zum Gruß aus der Ferne! Vielgeliebter Schwager! Indem wir nach einer 18 wöchentlichen Reise hier in Taschkent angelangt sind, so will ich Euch denn auch ein wenig von unserer Reise mitteilen.... So will ich denn gleich von Orenburg bis zur Sandwüste gehen, welches Euch wohl das schwierigste vorkommt, und uns erst auch, jetzt aber nicht. Bei Irgis fängt sich die Wüste an und bis Kasalinsk sind ungefähr 300 Werst [320 km]. Ich kaufte mir noch ein Pferd, einen alten Fuchs für 25 Rubl. [87 DM 50 Pf], und den Hafer luden wir auf Kamele, welche wir immer bei uns hatten, denn Futter ist keins zu haben in der Wüste, da sind Stationen, aber die verkaufen kein Futter. Heu nahmen wir mit so viel wir konnten, das kauften wir zu 10 Kop. [35 Pf] das Pud [16,38 kg]. Das Wasser ist auf Stellen 2 bis 3 Werst [2,1 bis 3,2 km] von der Station ab, oftmals waren die Brunnen auch leer, wenn wir hinkamen denn da gehen viele Karawanen mit Kamelen; doch das Wasser kommt schnell zu, und ist auch ziemlich gutes Wasser. Nur einen Tag hatten wir nicht aufgepasst und waren einen Brunnen vorbei gefahren; da mussten wir den Tag über ohne Wasser fahren. Überhaupt hat das Fahren sehr gut gegangen, denn da sind nur kurze Strecken Sand, die längsten sind 7 Werst [7,5 km], dann 1 ½ [1,6 km], 3-4 [3,2-4,3 km] sonst guter Weg, ja lange Strecken besser wie außer der Wüste. Die Witterung war uns aber auch günstig, es war still und hatte kürzlich geregnet. Als wir mitten in der 7 Werst langen Sandfläche waren, kamen wir an eine Ecke des Kaspischen Meeres; dort tränkten wir unsere Pferde, weil das Wasser aber schlecht war, so fiel mir mein bester Wallach [ein männliches, kastriertes Pferd – E.K.], also hatte ich nur wieder zwei, die Stute und den alten magern Fuchs, bin aber immer weggefahren ohne vorgelegt. Da könnt ihr schon wissen, daß die Wüste nicht aufs schwierigste ist; ich habe es mir immer viel schwieriger vorgestellt. Deswegen lasst euch nur nicht abschrecken, wer da Lust zum Herkommen hat, aber zu frühe will ich euch nicht raten, daß ihr in der großen Hitze in die Wüste kommt, dann würde es doch mehr darauf ankommen, aber auch nicht zu spät, damit ihr nicht solche Kälte durchmachen müßt, wie wir haben. Zum Glück fuhren wir in der größten Kälte in lauter Gestrauch und Waldungen, da haben wir so manches Stück Holz verbrannt. Da ist eine Sorte Holz die sehr hart ist, und sehr heizt, damit werden auch auf Schiffen des Syr Darja Flusses die Dampfkessel geheizt. Gefüttert und genächtet haben wir mehrentheils an Flüssen und fast immer gutes Wasser gehabt. Längst dem Ural Flusse sind wir auch eine lange Strecke gefahren, auch über das Uralgebirg, welches mir sehr merkwürdig war. Es war sehr hoch, und doch sind wir da wenig von inne geworden, es ging immer so den Schluchten nach, und an den Seiten waren große Steinklippen, inzwischen auch noch schöne Täler und Wasserquellen, wo wir manchesmal gefüttert und genächtet haben. Ja auf solchem Wege muß man die Allmacht Gottes doch so recht bewundern, und wenn ich Alles sollte beschreiben, was wir angetroffen haben, dann würde ich viel Papier brauchen, aber da werden viele Briefe kommen, sucht Euch nur auf, was Einer nicht schreibt, wird vielleicht der Andere, und dann macht Euch nur mit Gottes Hilfe auf die Reise. Er hat uns geholfen und wird auch Euch helfen, wenn Ihr euch nur auf Ihn verläßt. Fahrt bis zur Wolga zu Wasser, Unterwagen nehmt mit, und dort macht ihr euch einen Wagenkasten, Holz ist dort sehr billig und Pferde auch, denn dort ist der Weg gerade am schlechtesten. Futter und Nahrung ist überall zu bekommen, aber stellenweise theuer. Die Reise hat uns 250 Rubl. [875 DM] gekostet, wir haben uns aber auch mehrere Kleidungsstücke gekauft. Ich muß sagen daß ich mir die Reise viel theurer und schwieriger vorgestellt. Ferner wird dort von den rohen Menschen viel gesprochen und ist doch gar nichts zu befürchten; hier sind Kirgisen auch Tataren, sind indessen wenig zu unterscheiden. Sprache wol ziemlich gleich, nur schade, man kann so wenig mit ihnen sprechen; russisch können sie nicht, wenn man zu ihnen spricht dann sagen sie: „Belmes,“ das ist so viel als ich verstehe nicht, und dann geht er weiter; doch habe ich schon viel von ihnen gekauft, Futter und Brennung, das bringen sie alles auf Kamelen in die Stadt; wenn ihr das solltet sehen, ihr würdet euch doch verwundern. Auch wird dort [in der alten Heimat] von wilden Thieren gesprochen, und ich habe noch kein wildes Thier gesehen. Die recht zahmen sind hier sehr häufig nämlich die Esel, es thut mir immer leid wenn ich einen so großen Kerl auf dem kleinen Thier reiten sehe. Schafe sind hier nicht andere als dickschwänzige, sind sehr groß und fett, das Fleisch und der Talg schmecken sehr gut.... Nun muß ich ein wenig zurückgehen. Beinahe 2000 Werst [2100 km] sind wir gefahren, wo meiner Meinung nach sehr schlechtes Land war, mir sah es wenigstens so, aber kam man in die Stadt, da war Alles zu haben, so grobes Getreide, daß ich in der alten Heimath nicht solches gesehen habe. Ungefähr 150 Werst [160 km] vor Taschkent hat es mir erst angefangen zu gefallen.... Gestohlen ist meines Wissens nichts geworden in unserer ganzen Reisegesellschaft obschon wir verschiedene Völker angetroffen. Also den 2. Dezember hier in Taschkent angekommen und sind 18 Wochen auf der Reise gewesen; hier konnten wir abladen und hatten eine Stube mit Ofen darin, auch einen Stall dabei. Ja liebe Geschwister, ihr werdet wohl denken, 18 Wochen das ist doch sehr lange, und ist es um Theil auch, aber wenn man erst auf der Reise ist, dann hat man es immer drock, ist auch immer Neues zu sehen, dann vergeht die Zeit schnell. Wir haben auch wol beinahe 4000 Werst [4300 km] zurückgelegt, haben aber auch viel Aufenthalt gehabt, wegen Entbindungen und Sterbfällen; wäre die Gesellschaft nicht so groß gewesen hätte es weniger Aufenthalt gegeben und wäre die Reise glaube ich auch billiger gekommen; denn wenn irgendwo ein Vorfall wurde, dann mußten gleich 60 Wagen still liegen und das komm theuer. Nun wie ich schon erwähnte wir wohnen in der Stadt und das komm auch theurer, die Nachkommenden denke ich werden schon billiger abkommen, denn wir denken doch noch zum Frühjahr aufs Land zu ziehen und was einzuackern. Die Regierung gibt sich schon recht viel Mühe um uns, sie wollen uns gern nahe bei der Stadt halten, aber hier ist es schon sehr besetzt, d.h. ganz nahe bei der Stadt. Land ist hier genug, aber nicht alles geeignet zum Bewässern, nur ein Wasserstrom, worin viele Fische sind, aber es wird der Behörde wohl nicht zureichen. Sie fragen sehr, wie viel Familien noch kommen werden. Sie wollen für die auch gleich sorgen, daß wir Alle zusammen können sein. Es kann sein, es geht noch 100 oder 200 Werst [66 oder 133 miles] seitwärts, dort soll sehr schönes Land sein, und zur Viehzucht noch besser als hier; wir werden bald Nachricht erhalten. Man wird uns mehrere Landstücke zeigen wo wir uns dann aussuchen können.... Zu leben wird hier sein, so viel sehe ich schon, denn wenn ich die Ackerei der hiesigen Bewohner betrachte und dabei sehe, was sie für Getreide in die Stadt bringen, dann werden wir schon unser Brod haben, wenn auch auf einer andern Manier als wir gewöhnt sind; ich bin in der festen Hoffnung, der Herr hat soweit geholfen, und Er wird auch fernerhin helfen........ Will Euch noch ein wenig von der Witterung berichten; es ist heute der 6. Januar und ist sehr schön und warm; überhaupt ist der Winter hier nicht streng, wenn es nicht noch anders kommt, dann ist der Unterschied doch sehr groß gegen dort; jetzt ist ein Sommertag, und wenn wir unser Land nur erst hätten, dann könnten wir schon sehr schaffen. Mit unserem Einschreiben wird auch schon geschafft, die Pässe haben wir abgegeben und ein Familienverzeichnis eingereicht. Von Freiheit [von der Wehrpflicht] wissen wir noch nicht mehr als wir dort wußten und haben auch noch nicht nach mehr gefragt; so lange als Turkestan frei ist, sind wir’s auch, und H.E. [Haupt General] Kaufmann hatte damals gesagt, es würde sich belohnen, und wir sehen es denn auch, daß man uns nicht abgeneigt ist...... Es heißt aus Preußen kommen auf’s Frühjahr auch viele her. H. Funk Franz Bartsch (1854-1931) und Frau Lisette Woelke (1859-1938) Foto erhalten von Robert Friesen Franz Bartsch: Wir beteten für sie und der Herr half Der Schreiber wurde im Original als F. B. identifiziert, aber seine Erwähnung des verstorbenen Kindes identifizierte ihn als den Autor der Memoiren Unser Auszug nach Mittelasien. Die schwere Krankheit seiner Tochter verzögerte die Reise des ersten Planwagenzuges aus Hahnsau, Am Trakt. Sie starb am 1. Juli 1880 und wurde am frühen Morgen des 3. Juli 1880 beerdigt. Der Treck brach am selben Tag um 10 Uhr auf (S. 32-33). Hier schreibt Franz aus Kaplanbek, in der Nähe von Taschkent. - IUP veröffentlicht 15. Apr. 1881 S. 2 (Auszug von Zur Heimath 7. Apr. 1881 S. 4-6). Einer interessanten Correspondenz des „Zur Heimath“ entnehmen wir noch Folgendes: Von Taschkent sind wir 20 Werst [21 km] ab und muß viel dorthin gefahren werden. Auch Taschkent kann und will ich diesmal nicht beschreiben. Wir hatten Verschiedenes zu tun, unsre und der Andern Wohnungen einzurichten, Futter und Brennmaterial herbeizuschaffen usw. Nun sagten uns die hiesigen Leute, daß jetzt der Winter, hier Regen und Schnee, Frost und Wärme durcheinander, deren Resultat Schmutz sein muß, bald anfangen und unsre Arbeit hindern werde. Die andern Brüder von der Wolga waren aber noch sechs Wochen, die Molotschnaer neun Wochen hinter uns zurück, wie sollten die die denn herkommen? Und wie bangte uns für die Gesundheit der Nachkommenden! Wir hatten 11 Kindlein auf der Reise verloren, mit unsrer Kleinen 12, wie viele dachten wir, würden sie dann wohl hergeben müssen? Nun, wir beteten für sie und der Herr half. Wir erhielten Nachricht von ihnen aus Karmaktchi, wo sie schon 10 Grad [Ré] Frost [-12,5° C] zu leiden hatten, dann von Turkestan [Stadt] durch einen Juden. Nun rechneten wir schon die Tage noch. Der Herr ließ wohl regnen und schneien, aber auch wieder frieren und trocknen, und so kamen sie [Zug Nr. 2] denn Montag den 24. November hier an. Ich war nicht zu Hause, sondern mit Fuhren nach Patzen (Lehmziegeln) gefahren und fand sie schon dort. Nein die Freude! Und keine Kranke unter ihnen, trotzdem sie [minus] 13 Grad Kälte [-16° C] bekamen, durch beinahe fußtiefen [30 cm] Schnee hatten schreiten müssen, von Regen durchnäßt und von Frost erstarrt waren. Begraben hatten sie unterwegs nur ein Zwillingspaar, an demselben Orte, wo es das Licht der Welt erblickte. [Die Zwillinge, die Schwester Schmidt in Turkestan geboren hat, wurden am 12. Oktober 1880 tot geboren: Martin Klaassen Tagebuch]. Und nun erst die Molotschnaer Brüder! Montag den 2 Dezember rückten sie in Taschkent ein wo ihnen der General-Gouverneur hatte Wohnungen machen lassen. Denkt euch, sie, der größte Zug von 63 Wagen, hatten den Weg [der Teil der Reise von Am Trakt], zu dem wir 15 Wochen brauchten, in 13 Wochen zurückgelegt! Durch den tiefsten Sand hatte der Herr durch Regen und Frost den Weg so zubereitet, daß sie ohne einander vorzulegen, durchfahren konnten [Hinzufügen von Pferdegespannen zu den ersten Wagen, dann Rückgabe der Pferde für die restlichen Wagen; andere sagen, sie taten es auf schwierigen Strecken]. Sie, sowie die zweite Partie waren über Orsk gefahren, wo sie zwar schweren Weg, aber besser Futter hatten. An den Brunnen der Wüste, wo unsre 43 Pferde kaum satt wurden, sind auch ihre 150 satt geworden! Das hat der Herr getan und ist ein Wunder vor unsern Augen! Ja auf Adlerflügeln hat der Herr die Erstlinge seines Volkes 2600 und 3600 Werst (ca 1700 und 2400 engl. Meilen) [2800 und 3800 km] geführt. Noch eins geliebte Freunde! Noch ist mir die Warnung: „Verlasset euch nicht auf Fürsten!“ [Psalm 146,3] wohl im Andenken. Nun so höret was hier der Generalgouverneur Kauffmann unsern Deputierten sagte, als sie ihm für das Entgegenkommen dankten: „Gott wird Ihnen weiter helfen!“ war der Schluß der Unterhaltung von seiner Seite. So ist die Obrigkeit Gottes Dienerin uns zu gut! Mehr erwarten wir von ihr nicht. Das walte Gott. [Möge Gott es gewähren.] Morgen, so Gott will, fahren wir nach Taschkent, um Sonntag im Verein mit den Molotschnaer Brüdern, deren Ältesten Abraham Peters auch wir als unsern Ältesten anerkannt haben, das Mahl des Herrn und das Fußwaschen zu begehen und uns darnach im Liebesmahle mit ihnen zu vereinigen. F. B. [Franz Bartsch] Abraham Peters, Isaak Penner: Nachrichten aus dem 3. Zug Abraham Peters (1833-1882, Nr. 2336) war der geistliche und weltliche Führer der Gruppe, die hauptsächlich aus Molotschna stammte und sich schließlich in Aulie-Ata, heute in Kasachstan, niederließ. Er wurde in Taschkent zum Ältesten gewählt, starb aber dort im Alter von nur 48 Jahren. Nachkommen aus seiner ersten Ehe mit Agatha Wiebe (1833-1877, #2337), die vor dem Treck starb, sind heute in den USA zu finden. Aus seiner zweiten Ehe mit Elisabeth Kroeker (gest. 1914, #1446791) gab es keine überlebenden Kinder. Isaak Penner (1844-1925, #284545) lebte in Alexanderwohl, Molotschna, bevor er sich dem 3. Zug anschloss. Er wurde zum Patriarchen einer großen Familie. Seine erste Frau, Helena Boese (1845-1872, #32317), starb vor dem Treck; er heiratete dann ihre jüngere Schwester Elisabeth (1854-1887, #282364) und nach deren Tod Maria Wedel (1864-1930, #407272). Wir wissen von 20 Kindern aus diesen Ehen, deren Nachkommen in Deutschland gefunden wurden. - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 1. Mai 1881 S. 1-2. Asien, Taschkent, 9. Jan. 1881. Abraham Peters (wie wir verstehen, ist's der Aelteste, früher wohnhaft in Friedensruh) schreibt einen längeren Reisebericht an seine Freunde in der alten Heimath. Von den Beschwerden der Mütter redend, äußert er sich folgender Weise: „Ziemlich schwer ist es oftmals den lieben Müttern mit ihren Kleinen oder sogar Neugeborenen geworden, und wenn ich Nachts so Wache hielt, bin ich oftmals Ohrenzeuge davon gewesen, wie ich die Wiegenlieder zu Klageliedern verwandelten; aber es war kein Murren noch Beschuldigen, sondern ein Seufzen und Rufen zu Gott, was denn auch oft meinen Augen Tränen des Mitleids entlockte und zur Fürbitte bewog.“ Er gibt auch die Zahl der Todesfälle, die in diesem dritten, resp. Molotschnaer Zuge vorgekommen sind, genau an: „Neun Todesfälle sind vorgekommen: ein Greis von 72 Jahren (wir glauben, hier ist der alte verschwundene Wedel gemeint, dessen in der vorigen Nummer der „Rundschau“ erwähnt wird) [Johann Wedel, 1786-1880, #56526]. Ein Jüngling von 19 Jahren [Dietrich Wiens, 1861-1880, #343775]; ein Knabe von 7 Jahren [sein Bruder Aaron Wiens, um 1873-1880]; die Übrigen von anderthalb Jahren und darunter.“ Über die Beschäftigung der Übersiedler in Taschkent heißt es: „Jeder ist beschäftigt wie früher: der Schmiedemeister am Amboß, der Tischler an seiner Hobelbank, der Schumacher mit den Leisten, der Klempner bei seinem Zink und Blech u.s.w. Die nicht Handwerker sind, haben andere Arbeit genug, und wer gesund ist, kann zwiefach sein Brod verdienen.“ Von einem lieben Freunde wird uns noch ein Auszug aus einem Reisebericht von Br. Isaak Penner, Taschkent, Asien, eingesandt. Da jedoch dieser Bericht so ziemlich das enthält, was schon in früheren Nummern veröffentlicht wurde, so entnehmen wir demselben nur einzelne Notizen: Auf der Reise sind (im Molotschnaer Zuge) sechs Kinder geboren. Die Reisenden hatten mitunter bis 13 Gr. R. Frost. Ihre ihnen von H.E. Kaufmann eingerichteten Wohnungen sind 18 Fuß [548 cm] lang und 16 Fuß [487 cm] breit, die Viehställe halb so groß. Der Ansiedlungsplatz soll 280 Werst von Taschkent weiter sein (also wahrscheinlich östlich). Man wird in Dörfer ansiedeln, und zwar 30 Wirthe in einem Dorfe. [Aus diesem Ort wurde die Siedlung Aulie-Ata]. Anna Martens: Einkaufen in Tashkent Anna und ihr Mann Johann Martens waren im dritten Planwagenzug (in der Reihenfolge des Ankunftsdatums), der eine große Gruppe von Siedlern aus Molotschna enthielt. Anna gibt ein interessantes Bild des täglichen Lebens in Taschkent, und einige der tragischen Verluste an Leben, die ihre Gemeinschaft bis dahin erlitten hatte. Die Preisumrechnungen wurden aus den Angaben der Rundschau-Redaktion im Brief von Gerhard Janzen (oben) berechnet. - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 15. Sept. 1881 S. 1-2. Kopie eines Briefes aus Taschkent vom 23 April 1881. Liebe Freunde und Geschwister! Wie die Reise gegangen, ist nicht notwendig zu schreiben, denn das ist Euch ja schon durch Briefe von hier bekannt. Wir haben unsere Wirtschaft hier beinahe in solchem Zustande, wie wir sie dort hatten, natürlich nicht so kostbar. Eine Bettstelle haben wir von Brettern zusammengenagelt, worin wir schlafen. Eine Schüsselbank habe ich in der Wand von den Brettern, die wir im Wagen zur Decke hatten. Eine Hobelbank hat mein Mann sich des Winters ververtigt, auch Gerätschaft hat er sich schon wieder angeschafft, welches hier von Wallnußholz gemacht wird. Das Werkholz ist meistens Pappelholz und wird in Brettern von 7 ½ - 10 Fuß [2,28 - 3 m] lang und 6 ½ - 10 Zoll [16,5 - 25,4 cm] breit geschnitten und kostet solches von 10 - 50 Kop. [35 Pf - 1,8 DM] per Stück. Das Stellmacherholz ist hier bedeutend schlechter, als dort bei Euch. Die Wagenbügel werden von einem Stück Rüsterholz, so wie es eben gewachsen ist, gebogen und preisen 75 Kop. bis 1 Rbl. [2,6 - 3,5 DM]. Die Speichen werden von Rüsterbohlen geschnitten und kosten per Stück 6 Kop. [21 Pf]. Das Mittelholz zu den Wägen muß ebenfalls von Bohlen oder Rundholz gemacht werden. Einen Kreuzfuß-Tisch, eine lange Bank und zwei kurze Bänke haben wir, und zwar alles gefärbt. Unsere Kuh kostet uns mit Kalb 20 Rbl. [70 DM]. Sie gibt jeden Tag so ungefähr 7 Quart [6,6 L] Milch. Die Kühe sind hier russischer Rasse, aber kleineren Wuchses als die Euch bekannten. Unsere Kuh ist von schwarzer Farbe, das Kalb haben wir geschlachtet, sie gibt die Milch auch ohne Kalb. Einige aber wollen sie ohne Kalb nicht geben. Hier gibt es mitunter recht schöne Kühe, nur fehlt es ihnen an der deutschen Pflege. Pferde und Wagen haben wir auch noch. Einige der Brüder haben sich mit Kiesel- und Steinfahrten während unseres Hierseins bis zu 200 Rbl. [700 DM] verdient. Zwei Mann mit einem Fuhrwerk verdienen bei gutem Wetter per Woche bis zu 12 Rbl. [42 DM] und auch mehr. Wir haben noch immer zu essen; Fische haben wir schon recht oft gegessen. Ich darf sagen, es hat unter uns bisher noch Keiner Mangel leiden dürfen, wofür wir dem Herrn nicht genug danken können. Die Nahrung ist hier auch nicht sehr teuer:
Die Ware zu Kleidungsstücken ist hier zu verschiedenen Preisen zu haben. Die Ware von den Sarten, von welchen wir am meisten kaufen, ist billiger, als dort in der alten Heimat. Das Volk treibt hier Handel und Handwerk und bekennt sich zum Mohammedanismus. Die Ware aber in den russischen Handelshäusern ist teurer. Die Kirgisen sehen ziemlich aus wie die Sarten, gleichen aber mehr den Tataren und sind stumpfsinniger als jene; sie haben ihre Beschäftigung meistens in Karavanenführung. Ihre Kamele haben sie auf folgende Weise aneinander gefesselt: es wird dem Tiere ein Strick durch die Nasenhöhle gezogen und eins an das andere gefesselt treibt man bis 50 Stück hintereinander gehend vor sich her. Auf dem vorangehenden Kameel sitzt der Karavanenführer (ein Kirgise) und so reist er mit seiner Karavane von Ort zu Ort. Anschließend muß ich noch berichten wie es in und außer der Stadt aussieht. In der Stadt Taschkent sind fast alle Gassen mit Alleen von Weiden, welche an Wasserrinnen stehen, geziert. Diese Weiden stehe in ungewöhnlicher Höhe und haben ihre Äste mit vollem grünem Laub so ausgebreitet, daß wir bei heißem Sonnenschein in ihrem Schatten gehen und fahren können. Die Bewässerungskanäle, welche manchmal mittelst hölzerner Röhren bis 3 Faden [5,5 m] hoch über die Täler, die diese Stadt durchschneiden, geführt sind, brausen auf vielen Stellen durch die Stadt hindurch. Was das Getreide auf dem Felde anbelangt, so habe ich zu berichten, daß die Getreidefelder hier alle bewässert werden. Es ist hier bei uns anders, als dort bei Euch, denn, wenn dort die Hitze beginnt, so trocknen die Flüße aus; hier hingegen steigt das Wasser in den Flüßen, sobald auf dem Gebirge der Schnee schmilzt. Aus diesen Flüssen leitet man Bewässerungskanäle bis zu 50 Werst [53 km] in die Felder hinein, wodurch dann die Getreidestücke bewässert werden. Die Gerste hat schon die Aehren geworfen und steht stellenweise schon weiß zur Ernte aus. Der Weizen steht hier jetzt in Arschinhöhe [71 cm]. Wir haben bereits einen Monat lang unsern Pferden frischen Klee gefüttert. Das Futter war hier früher teuer; der Klee, welcher in Bündlein von ungefähr 10 Zoll [25,4 cm] im Durchmesser und eine Arschin lang [71 cm] gebunden wird, kostete, als wir herkamen, 4 Rubel [14 DM] das Hundert, ist aber jetzt zu 2 Rubel [7 DM] das Hundert zu haben; der alte Klee aber hat einen Preis von 3 Rubel [10,5 DM] per Hundert. Von dem alten Klee brauchen zwei Pferde 7-10 Bd. den Tag, vom frischen dagegen noch einmal so viel. Wir haben unsern Pferden meistens solchen Klee und nur 3 Pud [49 kg] Gerste aufgefüttert, während wir den Wallach zum Steinefahren ausgeborgt hatten. Sie sind jetzt bedeutend besser als damals, da wir von Euch abfuhren. Das Brennmaterial ist zwar auch teuer, doch hat der Herr dafür gesorgt, daß es uns nicht viel Ausgabe verursachte, denn es ist von noch vor Weihnachten an bis eine ziemliche Zeit nach diesen Feiertagen so schönes Wetter gewesen, daß wir bei offenen Türen in der Stube saßen. Die Hauptbrennung ist hier Rohr; dasselbe hatte früher den Preis von 4-8 Kopek [14-28 Pf] per Bund. Gespaltenes Brennholz kostet hier von 5-7 Rubel [17,5-24,5 DM] per Faden [1,8 m]. Ein Faden gibt ungefähr 1 ½ deutscher Wagenkasten voll. Die Kälte war bei uns diesen Winter unbedeutend, uns sind nur einige Male die Fenster ein wenig befroren gewesen, dagegen war es meistens kotig [dreckig], denn es hat sehr oft geregnet. Anfangs März wurde es schon recht warm, bis zu 25 Grad Ré [31°C]. Die Aprikosenbäume standen schon mitten im Februar in voller Blüte. Jetzt, von einer Woche vor Ostern bis eine Woche nach Ostern, den 23 April [Datum des Briefes] hat es, wenn nicht des Tages, so doch des Nachts geregnet. Will noch bemerken, daß mein Mann jetzt Ziegelformen für die hiesige Ziegelei verfertigt; er bekommt per Stück 1 Rubel [3,5 DM]. Er hat bereits 10 Stück fertig und soll noch weitere 10 Stück machen; die Ausgaben dazu kommen auf 20 Kopek [70 Pf] per Stück. Ich habe auch schon etwas Geld verdient mit Nähen für die Geschwister. Will noch bemerken, daß auf dem Wege hierher von den Unsern 9 Personen gestorben sind. Es waren dies:
Pferde sind unserer Gesellschaft auf dem Wege 5 Stück gefallen und 5 Stück haben müssen wegen Alterschwäche und Körperschaden verkauft werden. Wir haben im Ganzen 18 Wochen weniger einen Tag gereist und beträgt die ganze Strecke Weges 3550 Werst [3,787 Kilometer]. Versäumt haben wir wegen Futter- und Nahrung-kaufen, Sterbefällen, Entbindungen, Regen u.s.w. 26 Tage außer den Sonntagen. Die Sandwüßte erstreckt sich auf 325 Werst [347 km]. Wir haben in derselben von 32-49 Werst [34-52 km] den Tag gereist. Mein Mann ist auf der Reise fieberkrank gewesen, aber er hat noch immer so ziemlich Alles besorgen können, ist ein Pud [16,38 kg] leichter geworden. Ich bin ebenfalls auf dem Wege krank gewesen und habe stark gelitten; dennoch mußte ich während dieser Zeit die Gebirge überschreiten, welche sich auf 150 Werst [160 km] erstrecken und ziemlich steinig waren. Von der Zeit, da wir hier eintrafen, sind im Ganzen ihrer 12 gestorben, darunter:
Geboren sind auf der Reise 6 und hier in Taschkent 9 Kinder. Die Ehefrau des Joh. Wiebe, Wernersdorf, liegt hart darnieder, jedoch steht ja Alles in Gottes des Allmächtigen Hand. Wir wohnen noch in Taschkent, wissen auch nicht, wann wir aufs Land oder weiter ziehen werden, obzwar unsere Deputirien schon Land angesehen haben, welches 300 Werst [320 km] von Taschkent entfernt liegt. Da nun aber unser lieber Kaiser in dieser Zeit starb [Alexander II. Wurde am 13. März 1881 ermordet], und unser General [Konstatin Petrovich von] Kaufmann vom Schlage [Schlaganfall] gerührt liegt und durch einen Andern vertreten wird, der sich erst in sein Amt hineinfinden muß, bleibt unsere Sache noch unausgeführt. Der Herr aber wird Alles wohl machen; wir bitten, unsrer vor Gott zu gedenken; und so schließe ich mein Schreiben und grüße alle Freunde und Bekannte. Anna Martens früher aus Wernersdorf [Molotschna]. Unsere Adresse schreibt man am besten in russischer Sprache und mit russischen Buchstaben (Leider haben wir in unserer Druckerei keine russische Schrift, sonst hätten wir sie für die drei ersten Zeilen der Adresse angewandt. — D.R.d. [die Redaktion die] “Rundschau”): Tscheres Orenburg [через Orenburg – durch Orenburg, nach Elena Klassen] W. Gorod Taschkent [в город Ташкент – nach Elena Klassen) Johann Martens Via Europe to Asiatic Russia. Jakob Janzen; Foto erhalten von Robert Friesen Jakob und Agatha Janzen: Ein spezieller Bericht über Sterbefälle Jakob Janzen (1844-1917, #109399) und Agatha Neufeld Janzen (1842-1916, #109401) waren im dritten Planwagenzug (nach Reihenfolge der Ankunft) aus Molotschna. Nach einem langen Aufenthalt in Taschkent ließen sie sich 1882 in Aulie-Ata nieder. Jakob und Agatha wanderten mit neun Kindern aus, von denen eines in Taschkent starb; bekamen dann in Aulie-Ata drei weitere Söhne. Nach dem Tod von Abraham Peters wurde er zum Ältesten der Siedlung ernannt, und war ein häufiger Korrespondent an mennonitische Zeitschriften. - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 1. Feb. 1882 S. 2:1. Taschkent, 5. Nov. 1881. Geliebte Geschwister in Christo! Was kann es schöneres geben, und was kann seliger sein, als wenn wir unser Leben, dem Herrn im Glauben weih’n? Mit nicht geringer Freude durfte ich vergangenen Sonnabend d. 31. Oktober*) deinen werten Brief nach unserem Styl [Julianischer Kalender] von 3. September lesen. Nun geliebter Bruder, wie du uns aufgefordert [hat] zur Teilnahme an Euren Empfindungen, so muß ich auch Euch mitzuempfinden ersuchen von dem, was wir empfinden. Doch es geht mir eigentümlich. Ich weiß nicht, ist's Freude oder Trauer, woran Ihr Teil nehmen sollt; ohne tiefe Seufzer und manche Träne gehts eben unsererseits nicht ab. So manches mal haben wir, seitdem wir unsere Hochzeit gefeiert, unsern Wohnort gewechselt. Es sind der Orte, wo wir gewohnt eben so viel als wir [lebenden] Kinder zählen, und das sind 6 Söhne und 3 Töchter; und noch haben wir sonst nirgends einen Grabhügel gemacht, hier aber in Taschkent birgt eines der 28 Gräber, die wir hier gemacht, die Hülle unseres ältesten Sohnes. Da wär ich mir denn sonst klar, daß ich Euch zum Mitweinen auffordern würde, doch es hat der Herr gethan, und Gottlob! wir wissen unsern Jakob bei Jesu; daß er zu Jesu gehe, versicherte er uns noch mit dem letzten Odem. So können wir uns denn einerseits freuen, er ist alles Leids überhoben, andererseits aber vermissen wir ihn sehr. Im vorigen Winter half er in der Schule; jetzt aber vertritt Heinrich Janzens Kornelius [1861-1907, #12913] seine Stelle. Hiermit ist auch schon deine Frage, ob Janzens hier sind, beantwortet. Auch Jakob Funk [1851-1921, #36008] ist hier, er ist noch ledig. Den 9. Oktober durften wir sie mit noch 3 Familien von der Molotschna und 6 Familien vom Kuban begrüßen. Ihre Reise hierher ist über Erwarten glücklich zurückgelegt. Krankheit haben sie ganz wenig leiden dürfen, gestorben ist keiner, außer am Trakt (Wolga) ist ein kleines Kind gestorben während sie sich dort die Fahrzeuge herrichteten. Bis dahin nämlich waren sie per Dampf[schiff] gefahren. Pferd ist auch keines gefallen. Du hast auch von H. Janzens [1835-1904, #11925] und ihren Kindern Briefe zu erwarten, jetzt lassen sie alle sehr grüßen. Die Anna ist krank, auch Heinrich kränkelt. J. Funk läßt auch sehr grüßen, er hat es hier gleich sehr Druck, eben weil ihm allerlei zur Hand steht. Er richtet sich jetzt eine Werkstube ein, er gedenkt sich sein Brod mit Tischlerarbeit und Malerei zu verdienen. Die “Rundschau” hatte ich einige Tage vor deinem Briefe erhalten, und also kennengelernt. Das Blatt gefällt mir außerordentlich. Möchte gern demjenigen, durch dessen Vermittlung ich sie erhalten, meinen Dank abstatten. Ich freue mich, durch dieses Blatt an so viele liebe Freunde und Bekannte zu gleicher Zeit schreiben zu können. Auf diese Weise kann ich auch den vielen Lieben in Amerika ein Lebens- und Liebes-zeichen geben, was mir, wenn ich jedem besonderes schreiben soll, nicht gelingen will. Da fiel mir heute schon Heinrich Schmidt bei, mein ehemaliger Schüler in Gnadenthal, dem ich noch eine Antwort schuldig auf einen Brief, den ich von ihm am Kuban erhielt. Ich habe mich damals herzlich gefreut, daß sich einer meiner Schüler so lieblich vernehmen ließ; gleich darauf zu antworten wollte nicht werden und so ist's verblieben; möchte hierdurch einigermaßen daß Versäumte nachgeholt haben. Die Adresse ist mir abhanden gekommen. Am 7. November, vorgestern Abends fiel hier schon Schnee, obzwar die Bäume noch nicht völlig entlaubt sind; heute ist Sonnenschein, ist zu bezweifeln, ob der Schnee bis Abend vorhalten wird. Die Sommerhitze war erträglicher, als man es sich dachte. Zwar ist es wohl öfter bis 49 Grad Ré [61°C] warm gewesen, doch haben die Unsern ihre Arbeit (namentlich Fahren, Steine, Kiesel, Ziegeln und Erde, kurz was es kenn gibt für Fuhrlohn zu fahren) immer fortsetzen können. Der Regen ist hier dieses Jahr nicht so früh im Frühjahr verschwunden als man es gewohnt ist, auch hat es jetzt im Herbst außer Erwarten früh angefangen zu regnen. Der letzte Frühregen kam Pfingsten, und der erste Spätregen d. 16. Sonntag nach Trinitatis [Dreifaltigkeit, erster Sonntag nach Pfingsten – E.K.], und liegen wohl 17 Wochen dazwischen, wo es nicht geregnet hat, was nach hiesiger Bewohnheit wenig ist. Dem Herrn unserm Gott stehen ja auch die Gesetze der Natur zur Verfügung. Zur Verwunderung unserer Verwandten und Freunde müssen wir mitteilen, daß wir noch keinen Ansiedlungsplatz haben. Diejenigen Jünglinge, die bei der Übersiedlung hierher 15 Jahre und darüber bis 20 Jahren waren, sind laut Gesetz schon verpflichtet [im Militär] zu dienen, und so gern man uns hier auch hat, über diese Angelegenheit ist man in Skrupel; Gott weiß, wie sie endlich wird gelöst werden. Sonst den anderen Einwanderern sind Freifahre zuerkannt und Land gibt die Krone uns gern. Auch kann ich's nicht unerwähnt lassen, daß man uns hier in der Stadt jetzt schon den zweiten Winter das Quartier unentgeltlich läßt, so auch Lokalitäten für Schule und Gottesdienst. Gegen unsern Gottesdienst bezeugt man wahre Hochachtung; ja überhaupt genießen wir hier Achtung die an jenes “Hosanna” in Jerusalem erinnert, Gott weiß, ob vielleicht bald das “Kreuzige” auch in Erinnerung kommen wird. Was diese Achtung anbelangt, so ist das selbstverständlich von der russischen Bevölkerung vorzüglich gesagt, aber auch die Einheimischen verdienen in dieser Beziehung unser Lob. Es sind meistens Mohammedaner, und in ihren Sitten und Gebräuchen noch recht altertümlich. Durch manchen Anblick wird man an verschiedene Ausdrücke in der Bibel erinnert. Wenn man die hiesige Bauart besieht, denkt man an das Dachaufgraben der Viere, die den Gichtbrüchigen vor Jesu ließen [Markus 2,4]. Denn man hat einfach Balken auf die Mauer gelegt, dann aufgespaltene weidene Aeste in der Dicke eines Kinderarms von einem Balken zum andern (manchmal recht dicht) übergelegt, dann kommt eine Bordan, eine aus trockenen Rohrstangen künstlich geflochtene Matte, halb größer halb kleiner, von der Größe eines Deckels einer deutschen Kiste, diese sind dann aus gespaltenem Rohr gefertigt, recht schön, bis zur Größe einer kleinen doppelten Scheuertüre rsp. cir., 4 Arschin [2.8 Meter] lang und ebenso breit. Auf diese Bordanten, die auch zu verschiedenen andern Zwecken verwendet werden, schüttet man Erde, tritt diese fest und verschmiert oben auf mit gutem Lehm. Da ist denn bei einiger Mühe möglich, ein Bette mit einem Kranken durchzubringen. Kein Nagel, weder hölzern noch eisern ist zu solchem Bau notwendig. Sieht man wieder das Kameel mit Butter, Klee oder Luzerne beladen eins hinter dem andern zusammengebunden, oft das folgende am Schwanz des vorhergehenden, einherschreiten, und ihnen ist entweder mit einem Strick geradezu das Maul zugebunden, während man den Strick um Unterkiefer und Schnauze herumschnürt, wie wir es wohl dem zu schlachtenden Rind oder Schwein tun, oder sie haben ein eigens dazu verfertigtes Maulnetz auf, dann denkt man an jenes Wort: “Du sollst dem Ochsen der da drischt das Maul nicht verbinden.” [5. Mose 25:4] Wiederum bin ich durch den eigentümlichen Bau hiesiger Tore, die sich oft unter einem ziemlich großen, sorgfältig gebauten Dach befinden, an die Verhandlung über das Erbe Elimelechs und die Heirat der Ruth erinnert [Ruth 4]. Unter solchem Tore hat eine ziemliche Versammlung Platz. Wenn Freunde zusammentreffen, die sich etwa selten treffen, oder die sich besonders lieben und ehren, so sieht man eine Begrüßung so zeremoniell, daß man denkt, darum habe der Heiland auch wohl das Grüßen auf dem Wege verboten, wenn Er seine Jünger mit besonderen Aufträgen aussandte. Doch ich muß mich kurz fassen, daß mein Brief auf die Post kommt. Sende anbei einen Brief von Bruder Johannes Penner [#342334], früher Bezirkslehrer von Köppenthal (Wolga). Er ist als Gemeindelehrer von dort mit hergekommen, und als solcher mitgegangen nach Buchara, wohin die Brüder von der Wolga gingen, um dort zu suchen, was man uns hier noch nicht versprochen, Freiheit [vom Militärdienst] auch für die in Rede stehenden Jünglinge. Einen unter ihnen hatte nämlich das Loos getroffen, und die Behörden machten Ansprüche an ihn. Spätere Nachrichten aus Buchara bringen noch nichts Erfreulicheres, als gedachter Brief von Br. Penner enthält. Scheint's dir geeignet, so verschaffe ihm Platz in der “Rundschau.” Auch sonst magst aus diesem einrücken, was dir eben geeignet scheint. Eure Geschwister, Jak. u. Agatha Janzen. P.S. Ein spezieller Bericht über Sterbefälle: Seit Neujahr [1881] sind von den Unsern hier gestorben: 3 Ehemänner:
Sechs Ehefrauen:
Vier Jünglinge sind gestorben:
Auch starb:
Die Gesamtzahl der Gestorbenen seit Neujahr beträgt 27. Dietrich Braunen [1831-1900, #2358] aus Blumenort sehnen sich sehr nach Nachricht von ihren lieben Kindern in Amerika; sie grüßen sie herzlich.
Einen herzlichen Gruß an Alle, die sich meiner erinnern. Jakob Janzen. *) Der Brief brauchte also von Elkhart, Amerika, bis Taschkent, Asien, circa zwei Monate, was zwar eine Lange Zeit ist, doch es immerhin ermöglicht, mit den Lieben in der Ferne einen Briefwechsel zu unterhalten. Auf Ersuchen mehrerer unserer Leser geben wir nochmals die Adresse dorthin, und zwar noch etwas vollständiger als in No. 8 11 Jahrg. Man schreibe in rußischer Sprache: Tscheres Gorod Orenburg Mennonite … (Name) - ….. Taschkent. Via Europe to Asiatic Russia (Die letzte Zeile schreibe man in Englisch.) — Die Redaktion. Johann & Helena Regehr: Weiterfahrt nach Buchara Der Schreiber ist wahrscheinlich Johann Regehr #529856 und seine Frau Helena #529855, aus Hamberg, Molotschna. Sie ließen sich schließlich in Aulie-Ata nieder, nachdem ihre Versuche, sich in Buchara niederzulassen, gescheitert waren. Ich schätzte ihren Bericht über diejenigen, die gestorben waren, und Helenas Widerwillen, sich von den drei Pferden zu trennen, die sie so weit getragen hatten. - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 15. Dez. 1881 S. 1-2. Kopie eines Briefes aus Taschkent vom 16. September 1881. Geliebte Geschwister! Der Friede des Herrn sei mit Euch! Es ist 10 Uhr Abends und ich setze mich jetzt nieder, um an Euch einen Brief zu schreiben. Ich kann es nicht lassen, Euch über unsern jetzigen Zustand zu berichten. Der Herr führt wunderbar, aber doch endlich herrlich hinaus, das ist auch mein Glaube, darum bin ich getrost und danke Gott für seine Gnade, die wir noch immer haben erfahren dürfen. Wir sind noch, Gott sei Dank, sammt unsern Kindern so ziemlich gesund, jedoch hat Gott unsere Gesellschaft sehr mit Krankheit und Tod heimgesucht, gegenwärtig krank sind folgende: Abr. Peters, sein Schwager Abr. Koop und etliche Kinder. Durch den Tod in die Ewigkeit gegangen sind: Die Eheleute Korn. Wedel [#341860 und Elisabet Pankratz #274419] und deren Sohn Johann [#276823], welcher dem Vater eine Woche voran heim ging. Ihnen sind 6 arme Waisen nachgeblieben. Am vorigen Montag [Sept. 14] haben wir die Ehefr. des Peter Wiebe, geb. Dück [Maria Dueck #1996], begraben. Es sind hier im Ganzen schon 6 Frauen, mehrere Jünglinge und Kinder gestorben. Uns hat der Herr bis jetzt gnädiglich verschont, jedoch war auch meine liebe Ehefrau und unsere Tochter Kornelia schwer krank; ich und die andern Kindern waren auch ein wenig kränkelnd, sind dabei aber auf den Beinen geblieben. Wir haben jetzt wieder, wie vor einem Jahre, unsern Wagen beladen, um weiter zu reisen, und zwar soll es jetzt nach Buchara gehen. Mit uns gehen noch 9 Wagen dorthin und andere 9 Wagen sind uns schon voran, mit den Wolgaer-Brüdern, dorthin gegangen. Die übrigen noch zurück bleibenden Brüder werden wahrscheinlich hier verweilen bis zum künftigen Frühjahr oder bis die von Euch im vorigen Sommer abgereisten Brüder hier in Taschkent eingetroffen. Wir glauben, daß der Herr unsern Ort dort bereitet hat, auf wie lange Zeit, weiß nur Der, dem alle Dinge bekannt sind. Weil uns unsere Glaubensfreiheit hier nicht gewährt wird, müssen wir nach Buchara, welches Land gegenwärtig unter russischem Schutze, aber in gewisser Beziehung mehr für sich dasteht, wenn auch die Bewohner desselben an Rußland Tribut zahlen. Wenn wir den Leuten hier sagen, daß wir in Beziehung des Militärs [Wehrpflicht] nichts tun können, sagt man uns: „Geht nach Buchara.“ Man läßt uns sammt unsern Kindern ungehindert gehen, jedoch bekommen Einige rote Pässe. Ich halte dies für ein Wunder und eine besondere Führung Gottes. Da ist’s wieder, was Gott durch seinen Geist dem Johannes sagt, von der Gemeinde zu Philadelphia: „Ich habe vor dir gegeben eine offene Tür und Niemand wird sie zuschließen.“ [Offb. 3,8] Mir fällt es noch oft schwer aufs Herz, wenn ich daran denke, wie ich oft bei unserem Beisammensein mit Euch von der Übernahme Eurer Dienstpflichten sprach; da war zwar Einer und der Andere, die da glaubten, daß diese Übernahme nicht recht sei, aber man blieb an der Frage: Wohin? Dennoch aber sah man, wie es unter unserm Volke so finster geworden, daß man nicht mehr glauben konnte, daß der Herr keine Gemeinde, die Er in viel Not und Elend bisher erhalten, auch ferner erhalten, und ihr einen Ort auf Erden geben werde, wo sie nach ihrer Väter Weise leben könnte. Doch aber wird der Herr auch dort die Seinen erhalten, aber wer weiß, wie viele behalten bleiben, wenn die Versuchung so groß wird, daß der Glaube nicht mehr der ist, der sich nur unter dem Gesetz der Freiheit bewegt, sondern unter dem Gesetze der Welt steht. Wer kann zwei Herren dienen? [Matt. 6,24] Oder wer ist der, der dem Herrn Jehova angehört, und von seinem Geiste sich beleben lässt? Antw.: Ein Solcher, der bereit ist, wenn es darauf ankommt, Alles daran zu geben und wäre es auch das Leben. Zwar gibt es oft recht schwere Stunden für einen Christen und scheint es manchmal als hätte ihn Gott verlassen, so muß doch dem Gerechten immer wieder das Licht aufgehen, und Trost ins Herz hinein kommen, denn der Herr prüft die Herzen. Liebe Brüder, schreibt mir doch, wie es Euch in Allem geht, wir wollen uns doch nicht vergessen, wenn wir auch jetzt nach Buchara gehen; gedenket doch unser in Eurem Gebet, denn es ist nötig, daß wir uns einander aufmuntern, weil wir noch leben. Wenn wir auch weit von einander getrennt sind, die Briefe von Euch gelangen doch in Monatsfrist zu uns. Von hier bis Buchara haben wir noch 600 Werst [641 km], aber Eure Briefe werden uns auch dort finden, indem unsere hiesigen Brüder uns dieselben zustellen wollen. Wenn ihr schreibt, so versteht Eure Briefe mit der Adresse des Br. Abr. Peters, derselbe bleibt noch hier. Nun ich werde jetzt schließen, es ist bereits Mitternacht und ich will mich zur Ruhe begeben. Morgen will ich noch einen Karren beladen. Weil ich nur einen Wagen habe, so habe ich noch einen Karren angenommen, welcher mit 32 Pud [524 kg] beladen wird und 20 Rubel [70 DM] kostet. Ich habe noch meine beiden Stuten und ein Fohlen, welches ich von Br. Dürksen gekauft habe, und konnte ich für diese drei Pferde 500 Rubel [1750 DM] lösen, aber meine Frau sagte, ich sollte es nicht tun; diese Pferde haben uns so weit gebracht, und wenn sie leben bleiben, sollen sie uns auch noch weiter bringen. Nun, so seid Alle gegrüßt und grüßet auch die Brüder bei Blumenheim von Euren Geschwistern Johann u. Helena Regehr, früher in Hamberg. (Kopiert von Joh. Töws.) Johannes Penner: Vertreibungen in Bukhara Mehr über Pfarrer Johannes K. Penner (1850-1924, #342334) finden Sie in seinem obigen Brief und in den Familiennotizen im Anschluss an diesen Brief. - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 1. Feb. 1882 S. 2:3. Nachstehendes Schreiben von einem Leidensgefährten an den andern wurde uns von Br. [Jakob] Janzen [oben] zur Verfügung gestellt. Wir betrachten es als einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Übersiedler. Interessant ist es noch, daß es etwas in die innern Gemeindeverhältnisse hineinblicken läßt und die gegenseitigen freundschaftlichen Gesinnungen bekundet. Es lautet wie folgt: Geschrieben von der bucharischen Grenze am 11. Okt. 1881. Mein lieber Bruder Jakob Janzen! Den Frieden unseres Herrn Jesu Christi wünsche ich Dir, den Deinen und allen Brüdern zuvor! Ich hatte es mir vorgenommen, nicht früher an Dich zu schreiben, als bis wir uns niedergelassen haben würden. Da sich aber nun durch die Brüder aus Eurer Mitte, die uns unsere in Kaplanbek [neben Taschkent] nachgelassenen Sachen hergebracht haben, so passende Gelegenheit bietet, so will ich bei meinem Vornehmen nicht bleiben. Zur Ruhe sind wir noch nicht gekommen; der Stand unserer Sache ist der: Vor ungefähr 5 Wochen sind wir aus Buchara ausgewiesen worden, nachdem wie dort eine Woche auf den Bescheid vom Emir gewartet hatten. Der Aufbruch mußte zwar schnell geschehen, (zwei Wagen waren zerbrochen, Fast’s kleine Agnete [#814358] sollte beerdigt werden, das Grab war schon fertig, es wurde aber kein Aufschub bewilligt, Fast mußte sein Kind als Leiche mitnehmen, und die Wagen mit den zerbrochenen Rädern wurden aufgeschleist), dennoch können wir nicht über Unbill klagen, einer der befehlenden Beamten beschenkte mehrere Kinder sogar mit Zucker. Man begleitete uns einige Werst ins Russische, und mit Buchara hatten wir vorläufig abgeschlossen. An dem Katte-Kurganer Regierungschef (Natschalnik) fanden wir einen väterlichen Freund. Der eröffnete uns, daß sich zu beiden Seiten der russisch-buchar. Grenze ein ziemlich großes Stück Ackerland hinziehe (ohne Bewässerung), das für Weizenbau sich eigne und ungefähr 16 Werst [17 km] lang und eben so breit sei und Eigentum zweier Moscheen in Samarkand sei. Wir erfuhren nun weiter, daß es Pachtland sei und der Pachtpreis für 1 Jahr in dreizehntel des Ertrages bestehe. Man riet uns, in Samarkand mit den über das Land gebietenden Personen (ungefähr 6 Mullahs und 1 Kaufmann) die Ansiedlung auf dem Moscheenland abzuschließen. Wir schickten Herm. Janzen, Gerh. Esau und Cor. W. Penner hin. Nachdem sie 1 ½ Wochen dort gewesen waren, kamen sie unverrichteter Sache zurück. Die Mullahs sahen es zwar gerne und waren froh dazu, daß wir uns auf ihrem Lande niederlassen wollten, aber hierzu war außer der Genehmigung des Samarkandes Natschalniks auch die des bucharischen Emirs nötig. Jener erteilte sie sofort, dieser aber hatte eine Reise in südliche Gegenden unternommen, so daß längere Zeit über die Ankunft seiner Antwort vergehen würde. Das war das Resultat der Reise nach Samarkand. Da erhielten wir am vorigen Montag durch den Katte-Kurganer Natschalnik den Befehl vom General Gouverneur, daß C. [Cornelius] Quiring sich stellen sollte. So machten wir uns denn zum zweiten Male auf, die Grenze zu überschreiten, was der Natschalnik seiner Behörde berichtete, auch daß wir den C. Q. mitgenommen. Schon vorher hatten wir uns das Moscheenland zeigen lassen, daß wir nun wußten, wohin wir uns zu wenden hatten. 12 Werst südl. vom Ssaraffschanthal steigt ein ziemlich hohes Gebirge auf, an dessen nördl. Abhänge hatte man uns eine Quelle gezeigt; dorthin zogen wir. Das war am Dienstag. Am darauffolgenden Donnerstag erschienen wieder bucharische Beamten und geboten uns, Buchara zu verlassen, das Land, worauf wir uns befänden, wäre nicht Moscheenland. Man erwiderte ihnen, wir könnten unter keinen Umständen nach Rußland zurück, wir wären dort einem Gesetze verfallen, das wir nicht annehmen könnten. Darauf erlaubte man uns, auf das Moscheenland zu fahren, wo wir auf weitere Ordre warten sollten. Später, 13. Oktober. Gestern kam ich nicht zum Schreiben, ich hatte in der Nacht von Sonntag auf Montag bei dem alten Dietrich Wiens [#25820], fr. Blumstein, der sehr krank hier ankam, gewacht. Während wir die Abendandacht hielten, ist der leidende Bruder von diesem Pilger- und Jammerleben erlöst worden. Gott gebe ihm in Gnade das Erbteil, das uns bereitet ist von Anbeginn der Welt….. In Kurzem habe ich Dir den Stand der Dinge mitgeteilt. Der Heiland sagt: “In der Welt habt ihr Angst,” das erfahren wir reichlich; Er fährt fort: “Aber seid getrost, denn ich habe die Welt überwunden” [Johannes 16, 33]. Da lernt man, den Beruf für die Ewigkeit im Glauben ergreifen. Die Erde versagt uns Alles. Wie dunkel will es einem da so oft vor den Augen werden, aber dem Gerechten muß das Licht immer wieder aufgehen in der Finsterniß, und durch Christi Blut sind wir Gerechte. Mein Teurer, ich hätte wohl Manches Dir zu sagen, aber wie kann Tinte und Feder das lebendige Wort ersetzen! Ich habe mich sehr gefreut, daß Ihr, wie ich aus einem Briefe des Br. Corn. Dyck und Br. P. Quiring ersehen habe, auch nachzukommen gedenkt. Wohin? Nun, Gott kann seine Verheißungen nicht unerfüllt lassen. Lasset uns rufen Tag und Nacht, daß Er uns errette in einer Kürze. Ich sprach heute mit Onkel Klaaßen (er war recht leidend, jetzt etwas besser) über Eure Lage; er sagte, “Der Tag, an dem wir mit den Malotschnaer Brüdern vereinigt würden, würde mir ein Festtag, ein Tag hoher Freude sein.” Die Stimme zitterte ihm vor innerer Bewegung. O Brüder, Gott hat es zwar zugelassen, daß er zur Trennung gekommen ist, aber Er kann es nicht zulassen, daß wir getrennt bleiben. Kann Gott denn schweigen, wenn Ihr und wir Eine Bitte vor seinen Thron bringen, die Bitte um Einigung in Ihm? Und wenn Er unser armes Gestammel zurückwies, so kann Er doch nicht die Bitte seines Sohnes, unseres Vertreters, Joh. 17, 11., überhören. [“...Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins seien wie wir.” Lutherbibel 2017] Die Einigkeit im Geist, umschlungen vom Bande des heiligen und heiligenden Friedens werde unser gemeinsames Eigentum. Die Gemeinde Jesu muß einig werden in Ihm. Laßt uns nicht fragen: Wie soll es aber werden? Da bin ich auch mit meinen Gedanken am Ende, aber wir wollen rufen und glauben, daß es werden soll. Wenn Gott und wir wollen, was soll uns dann wohl hindern! Lieber Bruder, schreibe doch einmal. Ich habe gehört, daß du wieder Schule hältst, Gott segne dich und stärke dich mit seiner Liebe und Geduld. Daß Bruder Abr. Peters [#2336] noch immer recht leidend ist, schmerzt mich; Gott erhalte ihn. Brüder, ich habe Euch lieb, o liebte ich stärker. Grüße Br. Peters sehr von mir, und besonders von Onkel M. Kl., der ebenso auch dir seinen Gruß entbietet. Grüße alle l. [liebe] Amtsbrüder, Br. Abraham Wiebe und Braun. Cornelius Wallen sind ganz in eurer Nähe, meine herzlichsten Grüße an die ganze liebe Familie, sowie auch von meiner Frau, diese grüßt auch dein I. [liebes] Weib. Seid ihr alle gesund? Gott stärke uns in den trübsalsvollen Tagen der fluchbeladenen Erde. O, wie viel banges Sehnen, Seufzen der Kreatur und der Kinder Gottes. Gott hilfe uns durch Jesum in die Heimat. Jerusalem, das droben ist, die ist unser aller Mutter. O Bruderherz, wie wird uns sein, wenn wir durch die Perlentore Salems einziehen und die Wohnungen, die Jesus uns bereitet hat, beziehen werden? Da werden unsere Hallelujahs noch so viel “Kyrie Eleisons” [Rufe wie "Herr, erbarme dich"] dem Throne Gottes und des Lammes entgegenhallen mit starkem Siegesgeschrei. “Über ein Kleines.” [Joh. 16, 16] Wer weiß, wie bald? In herzlicher Liebe dein nach dem obern Jerusalem mitpilgender Bruder Joh. Penner. Diesem Brief folgte eine Tragödie, denn Johannes' kleiner Sohn, Peter Penner #387893, geboren am 3. Juni 1880 in Am Trakt, starb am 26. November 1881 in Buchara. Die Familie Penner setzte die Wanderschaft der Gruppe bis 1884 fort, als sie eine weitere beschwerliche Reise über die Wüste und die Berge nach Orenburg, dann mit dem Zug nach Deutschland, mit dem Schiff nach New York und schließlich mit dem Zug nach Beatrice, Nebraska, antrat. Johannes setzte seinen Dienst fort, und sie bekamen dort acht weitere Kinder. - IUP H.E.: Mit Bangen warten In diesem Bericht an die Rundschau beschreibt H.E. die Schwierigkeiten zweier Gruppen, in Zentralasien Siedlungsplätze zu finden. Mehrere Planwagenzüge trafen sich in Taschkent und teilten sich dann in zwei Richtungen. Die eine Gruppe, meist aus Am Trakt, erlebte den größten Umbruch und mehrere Fehlstarts. Die andere Gruppe, meist aus Molotschna, ließ sich nach über einem Jahr in Taschkent in Aulie-Ata, jetzt in Kasachstan, nieder. - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 15. Jan. 1882 S. 1:3. Prangenau [in Molotschna], 22. Nov. 1881. Indem mehrmals aufgefordert worden, aus der alten Heimat Verschiedenes zu berichten, so fühle ich mich gedrungen, etliche Zeilen für die „Rundschau“ zu schreiben: Aus einem Briefe vom 13. Sep. d. J. [1881] habe ich erfahren, daß die Wolgaer Brüder, von Taschkent, (Asien) weiter gewandert sind, nach Buchara, und als sie 15 Werst [16 km] in dem Lande gewesen, sind sie zurückgetrieben worden, und harren jetzt auf der Grenze zwischen Rußland und Buchara, was mit ihnen vorgehen wird. Auf ein zweites Schreiben sind sie hart zurückgewiesen worden, daß sie nicht einmal dort Alle Mittag halten konnten. Sie warten jetzt russischerseits auf eine Entscheidung, die über sie kommen soll. Es ist ihnen vorläufig von einem gewissen Herrn 40 Dessjatin [44 ha] Land im Ganzen an der Grenze angewiesen, welches sie vorläufig pachten können. Die Grenze ist aber noch nicht bestätigt, denn das Gebiet ist erst im letzten Kriege Rußland zugefallen. Die Molotschna Brüder sitzen noch in Taschkent, und harren mit Bangen auf die Entscheidung wegen ihrer Freiheit, denn es scheint, sagt der Schreiber, daß das Attentat auf den Kaiser am 1. März und der Schlagfluß [Schlaganfall] des H. [Haupt - E.K.] General [von] Kaufmann für sie bedenkliche Folgen gehabt, obzwar, sagt er, die Regierung sich sehr bemüht, ihnen die Militärfrage zu erleichtern und ihr Wohl sehr im Auge hat. Weiter ist ihnen, 60 Werst [64 km] von Taschkent, die sogenannte Hungersteppe zur Ansiedlung angeboten worden, ob sie es besiedeln werden ist noch nicht entschieden. Der Kaffee preist 1 Ruble [3,5 DM], Zucker bis 80 Ruble [280 DM] per lb. [Pfund, 454 g]. Mit dem Fahren von Steinen, Sand und Erde verdienen sich Viele das Brod…. H.E. Emil Riesen ca. 1896; Foto erhalten von Robert Friesen Emil Riesen: Brief vom 5. Zug Emil Riesen (1856-nach 1934, #81423) berichtet vom fünften Planwagenzug, zu dem auch einer immer radikaler werdende Endzeitprediger Claas Epp jr. (1838-1913, #4738) gehörte. Die geistige Führung lag jedoch bei Johann Jantzen (1823-1903, #343731), der auch ein Tagebuch über den Treck schrieb. Riesen, ein Lehrer, wurde auch ein bekannter Dolmetscher in Chiwa. Er heiratete auf dem Treck Maria Kleeberg, und ihr Sohn Hermann (1885-1943) hatte viele Nachkommen. Emil heiratete später Anna Nachtigal (1873-) und hatte keine weiteren Kinder. Dieser Brief enthält faszinierende Details über den Tagesablauf des Trecks sowie über seine Länge (72 Waggons, die auf 75 anwuchsen) und die Bevölkerung von 277 Seelen. Die Veränderungen in der Bevölkerung unterwegs bis dahin wurden hilfreich vermerkt. Bis Karabutak wurden 3 geboren und 1 gestorben, jetzt identifiziert als Kornelius Neumann (1840-1881, #907531). - IUP veröffentlicht Gemeindeblatt Dez. 1881 S. 92. (Anmerkung: Auszug veröffentlicht in der Mennonitischen Rundschau vom 15. Januar 1882, S. 1-2 hat ein Irrtum über unterwegs verstorbene Kinder) Korrespondenz von Bruder Riesen. Karabutak (asiatisches Rußland), den 18.10.81. Preiset mit mir den Herrn und lasset uns mit einander seinen Namen erhöhen! So muß ich ausrufen, wenn ich überdenke, wie gnädiglich der Herr uns bisher geführet hat. Ich versprach Ihnen in meiner letzten Postkarte, recht bald etwas über unsere Auszugsangelegenheit hören zu lassen. Wie sehr ich auch wünschte, diesen Versprechen nachzukommen, so war es mir doch bei den vielen Arbeiten und mancherlei Abhaltungen bisher rein unmöglich. Den Weg selbst beschreibe ich Ihnen nicht, Sie haben ja so manches aus den Berichten der vor uns Ausziehenden darüber gehört; also etwas über Abreise, Reisegesellschaft, Einrichtungen und Wetter, auch, wenn es die Zeit gestattet, über unsere Hoffnungen. Schon seit dem Auszuge des letzten Zuges im vorigen Jahre war es unser Wunsch, doch — wenn es irgend möglich wäre — früher wie dieser unsere Abreise anzutreten, damit wir nicht so in die kalte Jahreszeit kommen. Mit den Zurüstungen wurde auch frühe genug begonnen, aber der Herr hatte es anders mit uns im Sinn: es gab so viele Hindernisse, Verzögerungen, daß bei allem unserm Eilen erst am 1. September abends vom Versammlungsplatze aufgebrochen werden konnte. Das war spät! Viele unserer zurückbleibenden Brüder bezweifteln sogar schon wirkliche Zustandekommen unseres Auszuges. Aber der Herr läßt sein Werk nicht unvollendet, läßt seine schwachen Kinder, die in einfältigem Glauben fest auf ihn bauen, nicht zu Schanden werden! Als seine Zeit gekommen war, räumte er auch die größten Hindernisse mit mächtiger Hand aus dem Wege; denn es ist viel getan worden, um uns zurückzuhalten. Also am 1. Sep. hatten sich die Glieder der Auszugsgemeinde auf dem Sammelplatze eingestellt. Der sie bis dorthin Begleitenden waren viele. Zum Abschiede hielt einer unserer Brüder, Diener am Wort, eine Ansprache an Abreisende und Zurückbleibende über Psalm 121, nachdem zuvor gesungen und stehend eine Gebet gehalten worden. Mit einem Gebet auf den Knien und abermaligen Gesange und Segenssprüche wurde sie beschlossen. Br. Claas Epp las dann noch zum Abschiede Jer. 50 vor und hielt ein Gebet. Nun kam der Augenblick des Scheidens! Wie wird's einem so anders ums Herz, wenns heißt: Vielleicht zum letzten Mal in diesem Leben! Wohl ließ ich keine Verwandten, keine Freunde dem Fleische nach zurück, aber standen die Kinder, die ich acht Jahre und kürzere Zeit in der Schule um mir hatte, die mich liebten, und welche ich innig lieb hatte, standen die meinem Herzen nicht nahe, wie Kinder ihrem Vater stehen können! und die Eltern, mit denen ich Hand in Hand an der Erziehung ihrer Kinder wirken konnte, ja, das waren meine Freunde, von denen mir das Abschiednehmen schwer wurde. Sie werden daher die vielen gegenseitigen Segenswünsche erklärlich finden. Die Abschiedsstunden, besonders die in dem mir so lieb gewordenen Schulhause zu Fresenheim werden mir unvergeßlich bleiben! Einige Freunde fuhren denn auch noch weiter mit. Es war der größte Zug, der bis dahin nach dem fernen, fernen Osten abging: Es waren 72 meist zweispännige, auch dreispännige — große Wagen. Etwas weiter kam noch ein Wagen dazu[,] in Orenburg, der 74., und kürzlich wurde noch der 75. dazu gekauft. Die ganze Reisegesellschaft zählt jetzt 277 Seelen, soviel ich weiß. Drei davon sind unterwegs geboren: dagegen ist erst ein Bruder gestorben [Kornelius Neumann, 1840-1881]. Nicht wahr, ein großer Zug? Es ist uns oft gesagt worden, das würde die Reise erschweren und verzögern. Doch glaube ich bisher diesem noch nicht zustimmen zu können. Wir könnten bei unserer Einrichtung schneller vorwärts kommen, als die vorigen Züge; aber unserer Bosheit, unserer Herzenshärtigkeit wegen hat uns der Herr schon oftmals Halt geboten, wo wir gerne vorwärts geeilt wären. Solche Reise zeigt einem recht die Verderbtheit des eigenen Herzens! Einmal über das andere muß der Herr strafen, bis man sichs endlich anfängt einzugestehen: das tut der Herr deines Eigenwillens wegen! Sie werden begreifen, wenn ein Achsbruch nach dem andern den Zug aufhält — bisher 18 — wo andern keine brach, daß sich doch die Meisten nach dem Grunde solcher Sprache fragen. Nun etwas über die Ordnungen und Reiseeinrichtungen. Nur am Werktag wird gefahren. Schon um 3 Uhr morgens muß dann die Nachtwache wecken. Die Nacht ist in zwei Wachen geteilt. Jedesmal wachen drei Mann. Zuerst wird nun von jedem die Teemaschine gestellt, d.h. Feuer in dieselbe gemacht. Bis das Wasser kocht sind die Pferde – im ganzen 130 Stück – geputzt, geschirrt und gefüttert, dann schnell alles zurecht geladen und das Frühstück eingenommen; Kaffee oder Tee. Noch sind nicht alle damit fertig, da klingelt's: wer nun will, geht zur Morgenandacht. Bruder Johann Jantzen, bisher der einzige Gemeindelehrer in unserem Zuge, spricht ein Lied vor, welches gesungen wird. Darnach liest er einen Abschnitt aus der h. [heilige] Schrift vor und hält ein Gebet. Wenns geht, wird dabei geknieet. Um fünf bis sechs Uhr, wie es das Tageslicht erlaubt, wird losgefahren. Bei einer halben Stunde dauerts, bis sich der ganze Troß [Zug] in Bewegung gesetzt hat. Anfangs gabs dabei manche Unordnung, indem sehr nach vorne gedrängt wurde. Mit des Herrn Hilfe hat sich das schon geändert. Je nachdem Wasser und Futter zu bekommen ist, wird bis Mittag eine längere oder kürzere Strecke gefahren. Jeder eilt nun nach Möglichkeit sich ein Mittagsmahl zu bereiten; denn in circa zwei Stunden geht’s wieder vorwärts, wieder nach Umständen, öfters bis in die dunkle Nacht hinein. Da gibts viel zu tun: die Pferde besorgen, Wasser zu holen, zu kochen, im Wagen alles umzupacken, damit es Platz zum Nachtlager gibt. Darüber rufts Glöcklein zur Abendandacht. Die Lieder werden meistens aus dem neuen men. [mennonitische] Gesangbuche vorgesagt, das Gebet mit dem Vaterunser und Segen geschlossen. Am Sonntag wird geruht, am Morgen später geweckt. Eine Weile nach der Morgenandacht, nachdem ein jeder seine Arbeit hat verrichten und sich sonntäglich antun können, versammelt sich Alles, was kann, zum Vormittagsgottesdienst. Nach Gesang und knieend verrichtetem Gebet wird der verlesene Bibelabschnitt frei von Bruder J. Jantzen behandelt und mit Gebet und Gesang geschlossen. Bei schönem Wetter ist von 2-3 Uhr Kinderlehre, dann Nachmittagsgottesdienst. Da hält gewöhnlich Br. Claas Epp einen Vortrag über einen Bibelabschnitt. Ist das Wetter schön, dann versammeln sich Abends noch Gesangsliebhaber. Es wird auf Harmonium, Flöte und Violinen gespielt und dazu gesungen. Das lockt öfters auch fremde Zuhörer herbei aus Städten und Dörfern. Sie sollten da die freundlichen Gesichter der Leute sehen, es sei Russe, Tatar oder Kirgise. Über das Benehmen der Leute uns gegenüber haben wir noch nirgends klagen können, es sei denn, daß sie sich hin und wieder ihre Sachen recht gut bezahlen lassen, aber auch uneigennützige Gefälligkeiten sind uns schon erwiesen worden, die uns staunen machten. Sehr entgegenkommend sind auch die Leute an diesem Orte. Seit gestern haben wir hier rauhes, kaltes Wetter. Da laden sie uns ein, mit den Kindern doch in ihre sehr warmen Häuser zu kommen, bei ihnen zu übernachten. Das wird dann auch mit großer Bereitwilligkeit entgegengenommen; dann heute Morgen zeigte das Thermometer [minus] 11 ½ ° Ré [-14.4°C], dazu weht ein eisiger Nordwind. Gestern früh Morgens ziemlich schön, dann etwas Regen mit Frost, Hagel, endlich gegen Mittag Schneetreiben, welches sich gegen den Abend zu einem gehörigen Schneesturm steigerte. Bald nach unserer Abreise, wo es am Tage heiß und ungemein staubig war, hatten auch einige Wochen hindurch kalte — einmal bis [minus] 7° Ré [-9°C] — mitunter noch nasse Witterung, daß daß wir endlich das schöne Wetter von Orenburg an wirklich schätzen und dem Herrn dafür zu danken gelernt hatten, aber diese war weit durchdringender. Der Herr aber gab, daß Niemand verzagen durfte; heute Morgen sah ich nur fröhliche zufriedene Gesichter, wenn auch manche Wagen von innen weiß befroren waren. Diese letzteren sind natürlich dieses Jahr auch viel wärmer eingerichtet als die der Vorigen, ja einige sehr warm; es sind aber doch immer keine geheitzte Stuben, die ich wenigstens den Kranken wünschen möchte. Fast die ganze Zeit hatten wir nur wenig schwere Erkrankungen, die haben sich in den letzten Tagen gemehrt. Jetzt haben wir vier hart Kranke. Doch denen, die Gott lieben — und Ihn recht zu lieben, ja lieben zu können, ist ja unser aller innigster Wunsch und Streben — müssen ja alle Dinge zum Besten dienen [Röm. 8, 28]. Um immer mehr in seine Liebe hineinwachsen zu können, unterhalten wir auch unterwegs wie zu Hause öfters das h. Abendmahl, bisher alle vier Wochen. Das Fußwaschen fällt auf der Reise weg. Brod und Wein wird vom genannten Bruder Jantzen ausgeteilt. Derselbe besorgte bis dato für unsern Teil der Gemeinde auch Taufe und Aufnahme [von neuen Mitgliedern]. Unser vorläufiges Reiseziel ist Buchara. Die Unsern vom Trakt, Wolga, haben die russische Grenze bereits überschritten. Wir bekamen gestern hier die erfreulichsten Nachrichten von ihnen aus dem Grenzort Kattakurgan. Näheres darüber später. [Emil Riesen] Emil Riesen: Zug Nr. 5 erreicht die Stadt Turkestan In diesem Brief aus Kazalinsk und der Stadt Turkestan stellt Emil Riesen fest, dass 3 Kinder kurz nacheinander auf der Reise starben und in einem einzigen Grab beigesetzt wurden (auf einem russischen Friedhof in Lohuteck, Turkestan). Sie wurden identifiziert als Franz Franz Abrahams (ca. 1876-1881), Barbara Hermann Bartsch (1881-1881) und Herman Abraham Jantzen (1880-1881). Wir erfahren auch etwas über den bitterkalten Winter und darüber, wie die Gruppe mehrere Monate in der Stadt Turkestan festsaß. - IUP veröffentlicht Gemeindeblatt Mai 1882 S. 37-38. Asiatische Korrespondenz von der Auszugsgesellschaft von Br. R. [Riesen] Kasalinsk, den 15. Nov. 1881. Wertherster Br. Hege! Wieder sind wir durch des Herrn Gnade eine Strecke weiter gekommen, über welche Wegstrecke ich Ihnen in der Kürze Bericht zu erstatten gedenke. Von Karabutak, von wo aus ich an Sie schrieb, bis Irgis, von welcher Stadt an die Wüste gerechnet wird, sind 180 Werst [192 km] (7 Werst=2 Stunden), durch die Wüste bis hier dann noch 360 Werst [384 km]. Von Karabutak an war der rauhe Wintersmann unser steter Begleiter. Seine Strenge ließ er uns bald drückender, bald gelinder fühlen. So hatten wir in einer Nacht 18° R Frost [-18° Ré oder -22.5°C]. Turkestan [Stadt], den 8. Februar 1882. Ich werde nun meinen Bericht, den ich in Kasalinsk begonnen, fortsetzen. In der Wüste kam uns Schnee bei Frost außerordentlich zu statten. Schnee vertrat die Stelle des stellenweis mangelnden Wassers, Frost machte uns den sandigen Weg fast zur Chaussee. Wollte uns ab und zu auch frieren, so wurde das Gemüt dadurch doch bei weitem nicht so niedergedrückt, als durch das in Kasalinsk eintretende Schmutzwetter. Der Himmel beständig trübe, das lehmige Erdreich ganz durchweicht, dazu noch Schnee, mitunter auch etwas Regen; so brachte unsere Gesellschaft hier eine volle Woche zu. So hatten wir denn auch noch einige Stationen im tiefen Schmutz zu fahren. Da wollte das Herz wohl zagen. Wie dankbar wir für den eintretenden Frost waren, der uns wieder eine gebahnte Straße machte, können Sie sich leicht erklären. Je weiter wir nun nach dem Süden kamen, wo es nach Aussage der Leute immer wärmer werden sollte, desto strenger legte der Wintersmann seine eisige Hand auf uns. Einige Tagereisen vor Turkestan hatten wir ein paar Mal morgens 23° R einmal gar 25° R Frost [-29°C und -31°C]. Der Herr aber half uns gnädig hindurch. Denken Sie sich, man hörte selbst in den kältesten Tagen in einem und dem andern Wagen Kinder morgens noch munter singen; natürlich waren die ersteren so dicht und so warm wie möglich gemacht. Selbst Schwerkranke wurden in solchen Tagen gesund, standen auf, wankten draußen herum. Außer dem Bruder, von dessen Tode ich Ihnen im vorigen Brief geschrieben, starben auf dem ganzen Wege bis hier nur noch drei Kinder und zwar so kurz aufeinander, daß sie zusammen in einem Grabe beerdigt werden konnten. Es machte einen eigentümlichen Eindruck, die drei schwarzen Särge mit den zarten nach Umständen recht hübsch angezogenen Kindesleichen auf dem Schnee unter freundlichem Himmel stehen zu sehen. Am 17. Dezember v. J. [voriges Jahres] in der Mittagszeit kamen wir hier an. Tief lag der Schnee auf dem Platze, wo wir unsere Wagen zusammenfuhren. Da der aber lose gefallen, so konnte man ihn mit Leichtigkeit um dieselben hierum wegschaffen. Da es dem Inhalt mancher Wagen, Betten usw. unumgänglich nötig war, einmal ausgetrocknet zu werden, so bezog ein Teil der Gesellschaft gleich Quartiere, die wir zum Teil durch die freundliche Fürsorge des hiesigen Natschalniks bekamen. Während unseres Liegens oder besser Hierseins mehrte sich der Schnee gewaltig. Wiewohl es der Wunsch einiger Brüder war, noch vor Weihnacht unsere Reise fortsetzen zu können, ja kamen wir doch, bis alles Nötige fertig war, erst am Montage nach Weihnachten zum Aufbruch, doch auch fast nur dazu; denn nachdem die ersten Wagen im tiefen Schnee etwas über eine halbe Meile [0,8 km] vorgedrungen, waren sie gezwungen, umzukehren, und wir alle hier in Turkestan — 266 Werst [284 km] vor Taschkent — zu überwintern, die Ruhe hier, zumal in sehr guten Wohnungen, tut uns sehr wohl. Wer weiß, welch ein Kampf darauf folgen wird, was die jetzt uns noch ganz dunkle Zukunft uns bringen wird. Die Regierung scheint sich gegenwärtig wieder sehr mit unserer Angelegenheit zu beschäftigen. Gestern als ich aus dem Andachtshausse kam, begegnete mir der Natschalnik, der mir ungefähr folgende Mitteilung machte: „Ich sprach Ihretwegen mit dem General Sch. Er sagte mir, daß man Ihnen Land bei Taschkent oder Aulie-Ata anweisen werde. Sie wollen gerne alle zusammen bleiben. Man wird das möglich zu machen suchen. Wo das nicht geht, wird man Sie teilen.“ — Ob man uns damit auch Freiheit geben will, weiß ich nicht. Bis wir hier werden ausfahren können, wird es sich ja wohl herausgestellt haben. Denn voraussichtlich werden wir noch geraume Zeit hier bleiben müssen. Nach sonstigen Jahren sollte der Schnee längst weggetaut sein, und doch verschwindet er dießmal hier nur so langsam; gestern hatten wir noch 16° Frost [-20°C], am 1. Februar gar 22° [-27.5°C]. Lebensmittel und Pferdefutter sind hier nicht besonders teuer, billig sind Rosinen und gelbe Pflaumen, a` 5 – 10 Kopeken [17.5-35 Pfund] (a` 3 Pfund [1.4 kg]) und Reis. Außer zwei russischen Kaufleuten sind sämmtliche Handelsleute Tataren, hiesige Einwohner (Sarten) und Bucharen, letztere meistenteils nur mit Süßfrüchten handelnd, und Israeliten (nicht Juden) aus Buchara. Sie sind aus den zehn Stämmen und haben die fünf Bücher Mose und die Psalmen. Die Sarten gehören zur kaukasischen Rasse. Nun nehmen Sie für diesmal mit dem Wenigen vorlieb …. [Emil Riesen] Abraham Peters: Betet für unser Häuslein Ältester Abraham Peters (1833-1882, #2336) war der Führer der Gruppe, die hauptsächlich aus Molotschna stammte und sich schließlich in Aulie-Ata, dem heutigen Kasachstan, niederließ. Es ging ihm aber nicht gut, als er diesen Brief schrieb, und er starb am 4. Februar 1882, bevor die Gruppe sich im April niederließ. In diesem Brief drückt er seinen tiefen Glauben aus und erwähnt auch einen der Neuankömmlinge im vierten Planwagenzug, der tragischerweise nach nur wenigen Wochen in Taschkent starb. - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 1 Feb. 1882 S. 1-2. Einem vom 6. Nov. [1881] datierten Briefe von Aeltest. A. Peters an den Editor dieses Blattes entnehmen wir u. a. Folgendes: Ich freue mich mit dir, und rühme die Gnade Gottes, ja, die wir dürfen allgemein haben durch den Glauben, denn der Apostel Paulus lehrt uns also, wenn es heißt: „Alles ist Euer.“ [1. Kor. 3:21] Gott gebe, daß wir ausharren in allen Anfechtungen und Proben, die den Kindern Gottes in diesen letzten Tagen zur Bewährung des Glaubens vom Herrn aufbewahrt sind. Nun mein t. [teurer] Bruder, ich scheide, sehen wir uns nicht hier, so gewiß doch dort in der seligen Ewigkeit, da setzen wir das Gespräch vom Wunder der Gnade Gottes weiter fort. Mein Lauf ist bald zu Ende, so kommt es mir vor, denn ich bin schon eine geraume Zeit leidend, wie ich von mir selbst urteile, leide ich an der Schwindsucht, doch Gott weiß alles, tausendmal besser, als wir, Ihm sind ja alle Dinge möglich, Leben und Tod steht in seiner Hand; wie Er mich führt, so will ich gehen, wie Er es zuläßt mich ergeben. In der vergangenen Nacht 2 Uhr ist der neuangekommene Peter Wiens von der Molotschna, ein Sohn der Wittwe Dietr. Peters in Wernersdorf, hier nach 14 tägigem hartem Leiden gestorben, im Alter von 33 J., 5 M., 22 T., nur 3 Wochen hier geweilt; hinterläßt die Frau mit vier Kindern. Das Erfreulichste schließlich bei der Sache mit Wiens ist, daß er noch zuletzt durch die wunderbare Gnade Gottes als ein Brand aus dem Feuer [Sach. 3, 2] ist gerettet worden. Noch empfehle ich dir die herzlichen Grüße an die sehr lieben Bekannten, Brüder und Amtsbrüder, als Ält. J. Peters, Nebraska, Ält. Buller von Alexanderwohl, Hein. Richert, Geddert, Wiebe aus der Krim, Franz Ediger aus Gnadenfeld, Peter Harms, Abr. Harms, Jakob Harms. Da sind auch noch von den Ratzlaffs aus Franzthal, Jak. Regehr von Pastwa, Joh. Regehr aus Rudnerweide, Pet. Kliewer, Prangenau, Pet. Funk von Friedensruh, ja Alle, die Jesum lieb haben, und auf seine Zukunft warten: denn unsere Zukunft ist die Ewigkeit, und wir glauben an die nahe Zukunft des Herrn. Ja, t. [teuer] Brüder, die persönlichen, seligen Stunden, die wir zu einer Zeit pflegten, sind zwar längst verschwunden, doch kehren sie noch einmal zurück, besonders das, was wir im Glauben geredet und zu Gottes Ehre gepflegt haben, Einmal, o seliges Einmal! Im Reiche Gottes, da sind wir Alle erleuchtet durch und durch, und haben Alle einerlei Sinn und Meinung, und zwar den reinen Sinn Christi. Da erfahren wir es im vollen Sinne des Worts, was ich schon angeführt habe: „Alles ist Euer" [1. Kor. 3, 21]. O Brüder, ich grüße Euch mit dem Wunsch des Herzens: Wollen uns die Hand zum Wirken für das Reich Gottes reichen, der Herr wird's segnen, betet für mich, ich bin schwach nach Leib uns Seele. Betet für unser Häuslein hier in Taschkent; es gibt mitunter recht schwere Tage. Röm. 3, 21-22 [“Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart und bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich sage aber von solcher Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesum Christum zu allen und auf alle, die da glauben.” Lutherbibel 1912] ist wert in diesen letzten Tagen sehr nachzudenken, und zu beherzigen, damit es dem Wirken fürs Reich Gottes keinen Abbruch tue. Abraham Peters Kurzmeldungen aus Taschkent Die Rundschau half, Menschen in Taschkent mit Familie und Freunden anderswo zu verbinden, wie diese kurzen undatierten Nachrichten, sortiert nach Nachnamen, zeigen. Besonders bewegend ist der Nachruf auf die junge, frisch verheiratete Frau Anna Pauls Peters (1862-1881, #1448691). - IUP veröffentlicht Mennonitische Rundschau 1 Februar 1882 S. 3 Asiatisches Rußland, Stadt Taschkent. Peter Dahlke [1838-1897, #3502], früher in Friedensruh, hat mit herzlicher Freude die Zeilen von Peter Funk, früher in Friedensruh, jetzt Newton Kansas, gelesen in No. 3 II Jahrg. der „Rundschau“ und entbietet ihm sammt seinen Kindern seinen herzlichen Gruss. Er ist mit seiner Familie, außer der ältesten (Stief-) Tochter in Taschkent, befindet sich glücklich und wohl. Johann Dörksen, Wernersdorf, (ledig, blind) möchte durch die „Rundschau“ nach der Adresse der Söhne des Jakob Dörksen (Arzt), früher Bergthal, jetzt in Manitoba, fragen. Er, D., befindet sich hier gegenwärtig ganz wohl. Kornelius Dück, früher in Wernersdorf, (ganz gelähmt) möchte gern erfahren, wie es seinem Vetter Kornelius Wiens in Minnesota geht, und bittet um seine Adresse. Martin Janzens [1839-1891, #328863] lassen ihrer Mutter, W. [Witwe] Ar. Reimer aus Fürstenwerder, wissen, dass die Briefe auf der ihr gesandten Adresse verloren sind, falls solche abgesandt wurden, denn wir sind eben noch in Taschkent. Herzlichen Grüsse an Mutter und Geschwister. Janzens sind gesund. Thomas Koop [1836-1908, #328864] aus Tiegerweide möchte gern von den Brüdern seiner Frau [Maria Böse, 1829-1905, #10923], Abr. [1827-, #67900] und Heinrich Böse [1819-1879, #51164], früher aus Sagradowka und Blumenort, wenn auch nur etwas erfahren. Er sammt Frau und Kindern ist, Gott Lob, gesund. Tochter Anna [1859-1941, #2036] ist mit Jakob Wiebe [1858-1914, #2008], Sohn des Peter Wiebe [1831-1898, #1994] aus Wernersdorf verheiratet. Anmerkung: Die Koops wanderten 1894 aus Asien in die USA aus, wo sie in Corn, Oklahoma, lebten. Marias Bruder Abraham wanderte 1878 aus Sagradowka aus und lebte in Henderson, Nebraska. Heinrich wanderte 1879 aus Molotschna aus und lebte in Alexanderwohl, Marion County, Kansas. - IUP Peter Pauls [1837-1881, #586039], früher in Friedensruh, hat mit Interesse in der „Rundschau“ die Nachricht von der Tochter seines Bruders Heinrich Pauls [1822-1888, #34153], früher in Fürstenwerder, gelesen. Da er die Adresse des H.P. nicht hat, so möchte er sie durch die „Rundschau“ erfahren. Zugleich wünscht er seinen sämmtlichen Freunden und Bekannten die wichtigsten Ereignisse seiner Familie auf demselben Wege mitzuteilen. Das ist denn besonders das Schicksal ihrer Tochter Anna [1862-1881, #1448691], das ihnen sehr nahe liegt. Dieselbe wurde nach unserer Ankunft in Taschkent am 17 Dezember v. J. [voriges Jahres; 1880] mit noch einigen jungen Leuten, und zwar Dietrich Peters [1859-1932, #2339], Sohn unseres Bruders und Aeltesten A. Peters [1833-1882, #2336], und Helena Wiebe [1862-, #1451845], Tochter des Abr. Wiebe [1836-1896, #1417404] aus Wernersdorf, getauft. Am 19. April d. J. [dieses Jahres; 1881] trat sie [Anna] mit genannten D. Peters in den Ehestand, und nach einem Zeitraum von nur 11 Wochen rief der Tod sie von hier ab. Sie war 25 Tage hart krank, die meiste Zeit sprachlos. Den 6 Juli starb sie im Alter von 19 J. 3 W. Welche Reihe von Erfahrungen in so kurzer Zeit. Anmerkung: Annas Ehemann, Dietrich Peters, heiratete später Susanna Braun (1865-1932 #2345). Sie lebten in Nikolaipol, Aulie-Ata, bevor sie 1903 in die USA auswanderten, wo sie in Corn, Oklahoma und Lodi, Kalifornien lebten. Dreizehn Kinder sind in GRANDMA aufgeführt. - IUP Quellen
Neben der genealogischen Datenbank GRANDMA der California Mennonite Historical Society gibt es weitere Quellen:
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WriterIrene Plett is a writer, poet and animal lover living in South Surrey, British Columbia, Canada. Categories
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