Junge Lutheraner und ein mennonitischer Veteran, ca. 1945 Krippendorf, Thüringen (Siehe Marianne Preisser Rempel unten) Als ich Nachrufe übersetzte, um mehr über die Familien und die Geschichte zu erfahren, fielen einige durch ihre berührenden Texte auf. Andere stellten zentrale oder repräsentative Momente in der mennonitischen Geschichte dar. Im Folgenden finden Sie einige dieser denkwürdigen Geschichten. Alle wurden auch mit dem Biographisches Wiki des Bethel College für jede genannte Person geteilt. Zum Inhalt:
1880: Unterwegs nach Asien — Baby Bartsch u. a. von Franz Bartsch (1854-1931) Als Mennoniten, die sich vom Militärdienst befreien wollten, das Angebot annahmen, sich im zentralasiatischen Turkestan niederzulassen, forderte der beschwerliche Marsch von 2700 km Menschenleben. Der erste Waggonzug aus Hahnsau, Am Trakt, Südrussland, war mit dem Verlust von 11 Kindern der tödlichste, und der Tod eines weiteren Kleinkindes, der Tochter des Verfassers, verzögerte die Abfahrt. In dem Brief von Franz Bartsch an Zur Heimat, der hier in Auszügen wiedergegeben ist, erwähnt er 8 Kinder:
Zur Heimat 1881 Apr 7 S 5-6 Taschkent, Central – Asien, im Dezember 1880…...Unsere Abreise (von der Wolga) war auf den letzten Juni (1880) bestimmt, wurde aber wegen der Krankheit unsers Töchterchens verschoben, so daß wir, als der Herr unser Kind den 1. Juli zu sich nahm, den 3. abreisen konnten. Unsre Reisegesellschaft bestand aus 12 Familien mit 22 Wagen. In Verbindung mit dem Begräbniß unsres Kindes fand die Abschiedsfeier statt und dann fuhren wir um 10 Uhr Morgens (am 3. Juni) aus HahnsAu, wohin die Brüder aus Köppenthal, Hohendorf, Siemonshöh gekommen waren, ab…. Wie nun unsre Reise äußerlich ging, das werdet ihr euch denken können; um drei Uhr Morgens auf, Ssamowar (Theemaschine) stellen, trinken, Pferde füttern, tränken, dann Alles fortpacken, anspannen, gemeinsamen Morgengottesdienst halten, wobei uns in Ermangelung eines Gemeindelehrers die Br. J. Quiring und W. Penner dienten, — dann aufgesessen und weitergefahren…. Aber in einer andern Weise lag des Herrn Hand schwer auf uns. Die kleinsten Kinder wurden schon vor Orenburg krank. Vor Ak Tuba starb Br. Quirings jüngstes Töchterchen. Hinter Ak Tuba mußten wir drei Leichen in ein Grab legen. Vor Karabutak wieder ein Kind und in Karabutak noch einmals ein. Zwischen Karabutak und Irgis starb Quirings jüngster Sohn. Als wir ihn begruben, wurde zugleich Heu gekauft…. Bis an’s Ende der Reise hatte uns der Herr die Zuchtruthe auf dem Rücken gelassen, doch seine Gnade immer dabei. In der Wüste nahm er Geschw. Kopper drei Kinder so schnell hintereinander, daß sie in ein Grab gelegt werden konnten. In Kasalinsk begrub Bruder H. Wiebe sein zweites und letztes Söhnchen. In Perowsk wurden zwei junge Leute krank, die von ihren vorläufig noch zurückgebliebenen Eltern voraus mit Andern als Kutscher mitgeschickt waren. In Turkestan kam zu diesen zwei Kranken noch ein Dritter. Die Krankheit war Typhus. Wir brachten sie krank nach Kaplanbeck; der Herr hat ihnen geholfen. Auch hier sind wir von Krankheit nicht verschont. Eine junge ledige Schwester haben wir bereits in’s Grab gelegt…. Und wie bangte uns für die Gesundheit der Nachkommenden! Wir hatten 11 Kindlein auf der Reise verloren, mit unsrer Kleinen 12, wie viele dachten wir, würden sie dann wohl hergeben müssen? Nun, wir beteten für sie uns der Herr half…. F. B. [Franz Bartsch] 1881: Typhus in Taschkent — Jakob J. Janzen u. a. von Jakob Franz Janzen (1842-1917) Über 30 Menschen starben in Taschkent, wo Migranten vor allem aus Molotschna, Südrussland, über ein Jahr lang auf einen Platz in Turkestan, Zentralasien, warteten. Im darauffolgenden Frühjahr konnten sie den ersten Spatenstich für die neue Siedlung Aulie Ata setzen, die 250 km nordöstlich von Taschkent, jetzt in Kasachstan, liegt. Jakob Janzen (1842-1917), der später zum Ältesten der Gemeinde wurde, berichtet im Folgenden von 15 Todesfällen, darunter sein ältester Sohn Jakob. Sein Brief ist in “Briefe aus Taschkent” vollständig abgedruckt; dieser Auszug konzentriert sich auf die Nachrufe:
Mennonitische Rundschau 1882 Feb 1 S 2 Taschkent, 5. Nov. 1881. Geliebte Geschwister in Christo! Was kann es schöneres geben, und was kann seliger sein, als wenn wir unser Leben, dem Herrn im Glauben weih’n? Mit nicht geringer Freude durfte ich vergangenen Sonnabend d. 31. Oktober*) deinen werten Brief nach unserem Styl [Julianischer Kalender] von 3. September lesen. Nun geliebter Bruder, wie du uns aufgefordert [hat] zur Teilnahme an Euren Empfindungen, so muß ich auch Euch mitzuempfinden ersuchen von dem, was wir empfinden. Doch es geht mir eigentümlich. Ich weiß nicht, ist’s Freude oder Trauer, woran Ihr teilnehmen sollt; ohne tiefe Seufzer und manche Träne gehts eben unsererseits nicht ab. So manches mal haben wir, seitdem wir unsere Hochzeit gefeiert, unsern Wohnort gewechselt. Es sind der Orte, wo wir gewohnt eben so viel als wir [lebenden] Kinder zählen, und das sind 6 Söhne und 3 Töchter; und noch haben wir sonst nirgends einen Grabhügel gemacht, hier aber in Taschkent birgt eines der 28 Gräber, die wir hier gemacht, die Hülle unseres ältesten Sohnes. Da wär ich mir denn sonst klar, daß ich Euch zum Mitweinen auffordern würde, doch es hat der Herr gethan, und Gottlob! wir wissen unsern Jakob bei Jesu; daß er zu Jesu gehe, versicherte er uns noch mit dem letzten Odem. So können wir uns denn einerseits freuen, er ist alles Leids überhoben, andererseits aber vermissen wir ihn sehr. Im vorigen Winter half er in der Schule; jetzt aber vertritt Heinrich Janzens Kornelius seine Stelle. Hiermit ist auch schon deine Frage, ob Janzens hier sind, beantwortet. Auch Jakob Funk ist hier, er ist noch ledig. Den 9. Oktober durften wir sie mit noch 3 Familien von der Molotschna und 6 Familien vom Kuban begrüßen. Ihre Reise hierher ist über Erwarten glücklich zurückgelegt. Krankheit haben sie ganz wenig leiden dürfen, gestorben ist keiner, außer am Trakt (Wolga) ist ein kleines Kind gestorben während sie sich dort die Fahrzeuge herrichteten. Bis dahin nämlich waren sie per Dampf gefahren. Pferd ist auch keines gefallen.... Eure Geschwister, Jak. u. Agatha Janzen. P.S. Ein spezieller Bericht über Sterbefälle: Seit Neujahr [1881] sind von den Unsern hier gestorben: 3 Ehemänner: Kornelius Wedel aus Waldheim (sammt Frau [Elisabet Pankratz] und dem ältesten Sohne [John K. Wedel]), Dietrich Wiens aus Blumstein, der starb jedoch auf einer Reise ins Bucharische nach den dortigen Brüdern; und jetzt von den Neuangekommenen Peter Wiens aus Wernersdorf, (wovon Br. Peters schreibt). Sechs Ehefrauen: Aganetha Pauls (geb. Wiebe aus Wernersdorf Ab. W. Toch.). Die Gattin des Joh. Bärgen aus Fischau, (eine geb. Wiebe.) Die Frau des oben genannten Korn. Wedel aus Waldh., geb. Pankratz; Anna Peters geb. Pauls. Ferner Maria Wiebe, Tochter von Leonhard Dücken aus Blumenstein, ihr Gatte ist ein Sohn des Peter Wiebe aus Wernersdorf; und schließlich die Gattin des Isaak Koops, eine geborene Kröker aus Neukirch. Vier Jünglinge sind gestorben: Johann K. Wedel, Heinrich H. Gräwe, Kleefeld, Abrah. Kröker, Stiefsohn des Kor. Esau aus Neukirch, und unser Sohn Jakob. Auch starb: Y. Wallen Tiene (12 Jahr) aus Alexanderkron; dann noch mehrere Kinder unter 2 Jahren. Die Gesamtzahl der Gestorbenen seit Neujahr beträgt 27. Dietrich Braunen aus Blumenort sehnen sich sehr nach Nachricht von ihren lieben Kindern in Amerika; sie grüßen sie herzlich. Ihre Tiene ist hier gestorben…. Einen herzlichen Gruß an Alle, die sich meiner erinnern. Jakob Janzen. 1881: Er hinterließ eine starke Witwe — Kornelius Neumann (1840-1881, #907531) von J. F. (wahrscheinlich Jakob Funk 1851-1921, #36008) In früheren Zeiten musste eine mennonitische Witwe oft wieder heiraten, um ihre Kinder zu ernähren, aber Susanna Fransen Neumann (#1342395) hatte es nicht eilig. Ihr Mann, Kornelius Neumann (1840-1881, #907531) starb am 2. Oktober 1881 auf dem Treck von Am Trakt, Südrussland, nach Turkestan starb. Nur 3 Wochen zuvor hatte Susanna ihr siebtes Kind, Jacob (1881-), geboren. Zwei Jahre später waren alle wohlauf und lebten in dem Haus, das Susanna größtenteils selbst gebaut hatte, in der neuen Siedlung Aulie Ata. (Weitere Quellen: Johann Jantzen Tagebuch in Schultz, Aus Preusen; Heinrich B. Janzen Tagebuch.) Mennonitische Rundschau 1883 Okt 31 S 3 Personal-Nachrichten. Asien. Wittwe Kornelius Neuman, Keppenthal, bittet die „Rundschau,“ doch ihren lieben Bruder Kornelius Franz (früher Rußl. Trakt in Hansau gewohnt), aufzusuchen und gleich seine Adresse mitzutheilen. Neuman ist auf der Reise vom Trakt hierher gestorben und die Wittwe wirtschaftet mit ihren Kindern. Der älteste Sohn, Kornelius, ist 18 und der jüngste, Jakob, bald 2 Jahre alt und sind außer diesen noch drei Knaben und zwei Mädchen. Mitunter hat sie es recht schwer in ihrer Wirthschaft, aber sie ist nicht verzagt, denn sie lebt in der Hoffnung und im Glauben, daß wir einer besseren Welt entgegen gehen. Den Weizen hat sie noch nicht ganz geschnitten, denn dieses ist eine langwierige Arbeit; sie schneidet mit ihren Kindern selbst, denn annehmen kann sie nicht. Ein Haus von 18 Fuß breit [5.4 m] und 56 Fuß [17m] lang hat sie voriges Jahr mehrentheils selbst aufgebaut. Voriges Jahr war der älteste Sohn fast immer krank, jetzt alle schön gesund. J. F. 1883: In Chiwa ermordet — Heinrich Abrahams (1854-1881, #343745, Duplikat #906825) Anonym Nach einem langen Treck nach Asien und gescheiterten Versuchen, sich im Emirat Buchara niederzulassen, errichtete die hauptsächlich aus dem südrussischen Am Trakt stammende Gruppe eine Siedlung in Lausan, Chiwa, etwa 150 km südlich des Aralsees entlang des Flusses Amu Darya. Doch Raubüberfälle und Hausfriedensbrüche durch benachbarte Turkomen machten das Leben unerträglich, da die Eingeborenen wussten, dass die Mennoniten ihnen keine Gewalt entgegensetzen würden. Die Ermordung von Heinrich Abrahams bei dem Versuch, seine Frau Elisabeth Seiler Abrahams (1863-1908) zu entführen, war der letzte Strohhalm, der zum Ende der Siedlung im Jahr 1884 führte. Nach einer großen Spendenaktion der amerikanischen Mennoniten, Elisabeth, ihre Schwestern, und ihre Sohn Heinrich (1884-1954, geboren nach dem Tod seines Vaters), wanderten mit anderen auf der S. S. Fulda nach Amerika aus. Andere gründeten die Siedlung Ak Metchet, Chiwa, oder schlossen sich der Siedlung Aulie Ata an. Zu letzteren gehörten Heinrichs Bruder Franz (1849-1919) und seine Schwester Maria Abrahams Horn (1846-1931), die 1885 nach Amerika kam. Heinrichs Enkelin wurde unter dem Künstlernamen Irene Worth (geboren als Harriet Elizabeth Abrams, 1916-2002) eine berühmte Schauspielerin. Sie hat nie geheiratet, aber was für ein Vermächtnis für ihren ermordeten Großvater! Weitere Enkelkinder waren der Landwirt und Veteran des Ersten Weltkriegs, Luther J. Evans (1918-2002), und Grayce Carol Abrams Johnson (1925-). Weitere Nachrufe auf Heinrich sind auf seiner Seite im Biographischen Wiki zu finden. Die Enkelin von Heinrich gewinnt einen Preis. Mennonitische Rundschau 1884 Jan 23 S 2 Asien. Nachrichten von der in das Chanat Chiwa ausgewanderten sogenannten Claas Epp’schen Mennoniten-Gesellschaft…. Was man noch pflanzte und aussäete, gedieh recht gut, aber es kamen Heuschrecken, wilde Schweine, darunter Bestien, fast wie kleine Kühe und Schakale, und Jedes zehrte, was ihm behagte. Für die Menschen blieb sehr wenig, fast nichts übrig. Außerdem soll bei Vielen weder Kraft noch Mittel ausreichen, um, menschlich berechnet, eine Ernte im künftigen Jahre zu ermöglichen. Ja auch die Baarmittel der Bestbemittelten, welche ihr Vermögen brüderlich darangaben, sollen am Versiegen sein. Ferner leidet die Gesellschaft immer mehr unter der Raubsucht ihrer Landesgenossen, der Turkmenen, die ihnen Pferde, Kasten mit Sachen und andere Dinge schon so zu sagen unter den Augen wegnehmen; kaum daß sie sich fortbewegen, wenn herbeigerufene Hülfe kommt. Einzelne Wächter fürchtet man nicht mehr, besonders nach einem Raube mit Ermordung des Hausvaters. Z. B.: Ein junger Mann, der sein Nachtlager auf dem platten Dache aufgeschlagen hatte, bemerkte, daß ein Turkmene ein Pferd nehmen wollte. „Freund, geh weg!“ rief er ihm in der Landessprache zu. Der Dieb antwortete mit einem Schuß, von welchem glücklicherweise nur einzelne Schrotkörner den jungen Mann ins Ohr und Kinn trafen, während der eigentliche Schuß vorbeiging. Darnach entfernte sich der Dieb etwas, kam dann wieder zurück und holte das Pferd. Eingedenk des kürzlich vorhergegangenen Raubmordes wagte der junge Mann weder Hülfe herbeizurufen, noch selbst Einspruch zu erheben. Der erwähnte Mord geschah unter folgenden Umständen: in einer Nacht drangen die Turkmenen in die Wohnung einer Familie (Namens Abrahams) ein. Die Frau erwachte von einem Geräusch in dem andern Zimmer, oder wie man sonst die Abtheilungen in ihren Zelten nennen will; auch drang ein Lichtschimmer durch eine Thürspalte. Sie weckte ihren Mann, welcher aufsprang und seiner Frau zurufend: „Nun sind sie hier!“ zur Thür eilte. Hier wurde er von Säbelhieben empfangen. Der Frau gelang es noch, zum Fenster hinauszuspringen, sie wurde aber noch gewahr, wie ein Turkmene, in der einen Hand ein Licht, in der andern einen Säbel, in die Schlafzimmer kam. Außer sich vor Schrecken verkroch sich die Frau, als sie glücklich im Nachbarhause angekommen war, unter’s Bette und sagte leise: „Seid nur ganz stille, sie kommen!“ Als die zusammengelaufenen Brüder zum Schreckenshaus gingen, war kein Mensch da, — Abrahams lag, aus etwa 20 Säbelwunden blutend, entseelt am Boden, Kasten mit Sachen, Kleider & c., alles war fortgeschleppt. Was den Zuruf des Mannes näher erklären dürfte und den Schrecken der Frau noch besonders vermehrte, ist der Umstand, daß dem Anscheine nach, und wie die Frau selbst fest glaubt, die Hauptabsicht der Räuber Frauenraub gewesen. Schon mehrmals hatten Turkmenen ihrem Manne die Frau abkaufen wollen und schon eine ansehnliche Summe für sie geboten. Und eben einen solchen Käufer, der vor wenigen Tagen abschlägig beschieden worden, glaubte sie erkannt zu haben. Die Behörde nimmt keine besondere Notiz von derlei Vorkommnissen. Da heißt es einfach: Ihr müßt dichter zusammenbauen (die Häuser stehen 100 Fuß auseinander), tüchtige Mauern aufführen, selbst Wache stehen und die Räuber niederschießen, oder euch Leute dazu dingen & c. Auch der russische Grenzbeamte, welchem man die Noth klagte, gab wenig Trost. Einzelne Familien, die gern zurück in die verworfene Heimath möchten, und denen es an Reisemitteln, von Hause zugesandt, nicht fehlen würde, schreckt die Furcht vor dem Zuge durch die Turkmenensteppe in geringer Anzahl von der Rückkehr ab. Einzelne Personen, so stark die Sehnsucht, so stark das Verlangen auch sei, dürfen schon gar nicht an die Rückkehr denken…. Gott, der da barmherzig, gnädig, geduldig und von großer Güte ist, wolle sich ihrer erbarmen…. „Wächter” 1905: Erstickt — Jakob Graew & Wilhelm Konrad von Isaak P. Töws Im Folgenden wird über den tragischen Verlust zweier junger Männer berichtet, die in dem Haus, das drei Freunde in Alsen, South Dakota, gemeinsam gebaut hatten, durch die Abgase des Kohleofens ums Leben kamen. Ein dritter Freund, Abraham Peters, überlebte, aber diese beiden wurden betrauert: Jakob Peter Graew (1884-1905, #368712) Wilhelm Peter Konrad (1883-1905, #9808) Zionsbote 1906 Jan. 24 S 7-8 Zwei Jünglinge erstickt an Kohlengas. Möchte kurz berichten von dem tief rührenden Unglück, welches geschah am 23. Dez. nämlich von dem Dahinscheiden der Jünglinge Jakob Gräw und Wilhelm Konrad. Im Herbst haben die Freunde Abr. Peters, Peter Gräw, Jak. Gräw und Wilh. Konrad sich ein Haus gebaut in Alsen, (eine neue Stadt) um daselbst den Winter zu wohnen, und wo möglich Arbeit zu übernehmen, was sie auch taten bis den 21. Dez. am Donnerstag abend, als dann sie wie gewöhnlich sich ein Kohlenfeuer im Kochofen gemacht hatten und zu Bett gingen. Es waren nämlich in der Nacht die Freunde Abr. Peters, Jakob Gräw und Wilh. Konrad daselbst. Sie schliefen alle drei in einer Stube, die Letztern zwei in einem Bette. Sie schliefen alle bis Freitag abend, bis nahebei wohnende Freunde sie aufsuchten und fanden Abr. Peters und die andern zwei im Bette liegen. Abraham konnte gleich sprechen, aber nicht gleich aufstehen, aber Gott sei Dank, bald raffte er sich auf, ging dann von andern begleitet nach dem Hotel zur Nacht. Für die zwei Letztern wurde dann gleich ein Arzt geholt von einer andern Station, der versuchte auch sein Bestes, die Bewußtlosen wieder herzustellen, doch alle Mühe vergebens. Jak. Gräw starb den nächsten morgen 5 Uhr, hatte also etwa 35 Stunden geschlafen. Wilhelm Konrad lebte noch 8 Stunden länger. Es hat keiner von den Beiden ein Wort sprechen können während diesem Schlaf, nur lautes Stöhnen und Röcheln war zu hören bis sie starben. Jakob Gräw war ein Sohn der Geschw. Peter Gräws. Ein sehr tiefer Schmerz für die l. Eltern und Geschwister. Es war ja dieses grade zu Weihnachten. Freude und Leid liegen oft so nahe bei einander. Das Begräbnis fand unter großer Teilnahme am 28. Dez. im Versammlungshause statt. Br. David Fröse machte die Einleitung mit Lied: “Wer weiß, wie nahe mir mein Ende,[“] Gebet und Sach. 3. wo es Vers 2 heißt: “Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer errettet ist?” Bemerkte auch, es waren ja dort drei Personen in dem Hause, und der eine ist wie ein Brand aus dem Feuer errettet. Wandte dieses dann auch im Geistlichen an. Br. Joh. Günther sprach über Jes. 38: “Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben.” Br. Joh. Enns sprach über Psl. 90. Wies hin auf den 1. Vers zum Troste für die tief betrübten Eltern und Geschwister: “Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für.” Zum Schluß wurde gebetet und gesungen. Dann wurde die Leiche dem Schooße der Erde übergeben. Nun gings nach den Geschw. Gräws, woselbst erstens mit einem Mahle gedient wurde, dann wurde noch über Gottes Wort gesprochen und mehrere schöne und rührende Lieder gesungen und schließlich brach eine große Gebetsstunde an. Sünder schrieen zu Gott, einer betete für den andern, Eltern rangen wegen ihren Kindern. Ernstlich wurde von dem Seelenheil gesprochen und es gelang, es fanden noch einige Seelen Frieden und Vergebung den Abend. Später haben noch mehr Seelen Frieden gefunden, sind auch noch mehrere suchend, möchten sie alle durchdringen und den Glauben erlassen, ist unser Wunsch und Gebet. Der verstorbene Jakob Gräw ist alt geworden 21 Jahre und 19 Tage. Zum Begräbnis des Wilh. Konrad wurde die Versammlung im Hause der Eltern Peter Konrads gehalten. War auch eine große Versammlung. Die Leiche wurde auf unserm Kirchhof begraben. Das Begräbnis war einen Tag später. Wilhelm war alt geworden 22 Jahr. Willy, so wie auch Jakob waren gute, zuverlässige Arbeiter und treue Söhne ihrer Eltern. Willy ist früher bei Geschw. Peter Fasten, Dolton, S. Dak. einige Jahre gewesen, die werden sich seiner gut erinnern. Die Ursache des Kohlengases in dem Hause war, daß sie den obersten Dämpfer d. h. der im Rauchrohr ist, zu sehr zugedreht hatten und das Gas folgedessen in die Stube gekommen. Hatten weiche Kohlen. Herzlich grüßend Euer Bruder Isaak P. Töws. 1908: Der Glaube eines Kindes — Neta Wall (1902-1908) von Johann Wall (wahrscheinlich Johann Peter Wall, 1876-, #1320231) Dieser Bericht über das Leben und den Tod der kleinen Tochter Neta des Autors in Turkestan, Zentralasien, hat mich sehr bewegt. Friedenstimme 1909 Jan 24 S 9 Heimgang unseres Töchterleins. Als unsere älteste Tochter krank wurde, flehten wir den Herrn an, daß er sie nicht unvorbereitet sterben lasse, da sie doch nicht mehr unschuldig sei. Sie genas. Darauf brachte die Friedensstimme den Artikel von der Kinderbekehrung. Jetzt möchte ich eine Bestätigung zu jenem Aufsatze bringen. Fast zu gleicher Zeit wurden unsere übrigen drei Kinder krank, die sechsjährige Neta zuerst und am heftigsten. Freitag, am 19. Dez. hatte sie abends bis 12 Uhr heftiges Fieber; dann forderte sie Bleistift und Papier und zeichnete etwas, darauf schlief sie ein. Am Morgen sang sie mit den andern Kindern sehr freudig die gelernten Weihnachtslieder. Da ich, sie beruhigen wollte, weil sie doch krank sei, sagte sie fröhlich: Papa, ich bin ganz gesund! Darauf bat sie mich, ob sie auf dem Harmonium spielen dürfe; ich setzte die Harmonija hinauf, und sie spielte das Lied: Christus, der ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn. Sie wurde nun ernstlich krank! Als sie Sonntag, den 21. sehr unruhig war, sagte ich, sie solle einmal alles dem Heiland sagen. Dann faltete sie die Hände und sagte: Papa, wollen einmal beten. Sie betete: „O Heiland, es geht so schlecht; mach mich gesund; verzeih mir alle Sünden aus vollem Herzen, daß ich in den Himmel komm. Amen.“ Auf die Frage, was für Sünden sie getan habe, sagte sie weinend: „Ich habe die andern Kinder geschlagen.“ Dieselben wurden ans Bett geholt, und es wurde alles verziehen. Sie umarmte auch die Mama, küßte sie und rief weinend: „O, Mama, verzeih mir doch alles!“ Als sie später betete, sagte sie: „O, Heiland, es geht so schlecht, aber ich bin froh, daß ich ein reines Herz habe, Heiland, ich hab dich so lieb!“ Sie betete noch oft und auch verschiedenes, auch für andere. Als einmal die Not groß wurde, rief sie: „O, lieber Herr Gott!“ und sagte ihm alle Schmerzen. Nachdem auch wir gebetet hatten, sagte sie: „So, jetzt tut mir nichts weh.“ Mittwoch Abend, als die Schüler unterm Christbaum versammelt waren, fragte ich, bevor ich hinausging, ob sie sterben wolle, „Vor Weihnachten nicht“, war die Antwort. Als ich zurückkam und ihr die Geschenke überreichte, dazu den neuen Bethlehemsstall zeigte, war sie sehr glücklich. In der Nacht und am ersten Feiertag phantasierte sie viel. Abends sahen wir schon, wohin es ging. Auf die Frage, ob sie jetzt sterben wolle, antwortete sie: Ja. Da die Not höher stieg, betete sie kaum hörbar: „Heiland, komm! Heiland komm!“ Später winkte sie noch mit der Hand und lispelte: „Heiland, Heiland!“ 4 Uhr morgens, am 2. Weihnachtstag verschied sie. Unsern Schmerz will ich nicht beschreiben, den verstehen ja alle, die schon am Sterbebett ihrer Lieben gestanden haben. Ich habe aber den Wunsch, daß sich alle Kinder bekehrten, und daß niemand ihnen wehrte. Turkestan J. Wall. 1908: Ein tragischer Unfall — Johann Wedel (1864-1908, #124082) Anonym Der Autor schildert den Schrecken eines landwirtschaftlichen Unfalls in Nikolaipol in der Siedlung Aulie Ata in Turkestan, Zentralasien. Ebenso tragisch war der Verlust seiner junger Frau Maria Wall (1867-1906, #124089) zwei Jahre zuvor, und die drei hintergelassen Waisen. Zwei Kinder heirateten jedoch später, und Sohn Johann Wedel (1904-1985) wanderte 1930 mit seiner Familie auf der S. S. Werra nach Brasilien aus. Friedenstimme 1908 Sept 6 (Seitennummer ungewissen) Unglücksfall Dienstag, den 12 August fuhr Br. Joh. Wedel, Sohn des Joh. Wedel, früher wohnhaft in Waldheim, mit seinem Arbeiter aufs Feld, mit der Haspelmaschine Getreide zu mähen. Nachdem er etliche male um das Feld herumgefahren war, scheuten die Pferde und sprangen zur Seite. Diese hatte zur Folge, daß beide von ihrem Sitze herunterstürzten; der Arbeiter rücklings, doch Br. Wedel vor die Messer der Maschine, worauf ihm der linke Arm mit einem Stück von der Brust fast ganz abgeschnitten wurde. Außerdem erhielt er noch etliche Verletzungen am Kopf, sowie drei klaffende Wunden an einem Bein. Der Arbeiter, der sogleich herbeigeeilt kam, rief ihn beim Namen, erhielt aber keine Antwort, doch war noch Leben in ihm. Mittlerweile waren die Pferde, durch das Verliegen der Kurbelstange gehemmt, stehen geblieben; was der Arbeiter benutzte, ein Pferd ausspannte und schnell zum Dorfe ritt, Hilfe zu holen, doch zu spät, man fand den Verunglückten nur als Leiche. Sein Alter hat er gebracht auf 45 Jahre und etliche Monate. Seine Gattin ist ihm vor zwei Jahren vorangegangen. Der Verunglückte hinterläßt 3 Kinder. Der Schmerz ist groß. Wenn sich jeder doch täglich früge: Wer weiß wie nahe mir mein Ende, hin geht die Zeit, her kommt der Tod, ach wie so schnelle und behende, kann kommen meine Todesnot? Ein Leser. Nikolajpol bei Aulieata, Turkestan 14 August. 1933: Tod im Exil — Johannes J. Giesbrecht (1868-1933, #246131) von Margarete “Gredel” Giesbrecht Dieser Brief an den Bruder des Autors, Jakob (1896-1980), über den Tod des Vaters im Exil hat mich sehr bewegt. Obwohl Jakob seit 1926 in Kanada war, kämpften die Eltern und 8 Schwestern nach der Verbannung durch die Russen ums Überleben. Die Kommunikation mit der Außenwelt war für diese politischen Gefangenen äußerst schwierig, sogar verboten. Auch die Familie wurde auseinandergerissen. Das Schicksal all derer in Russland ist unbekannt; als Jakob Jr. 1980 in Abbotsford, B.C., starb, wurden keine Überlebenden in Russland erwähnt. Trotz des tiefen Schmerzes, der in diesem Brief zum Ausdruck kommt, stehen dahinter Liebe, Glaube und eine Gemeinschaft in Übersee, die um Hilfe gebeten werden könnte. (Weitere Quelle: Ruth Derksen Siemens, Remember Us.) Mennonitische Rundschau 1934 März 28 S 9 Todesanzeige. Da ich endlich genaue Nachricht über den Tod meines lieben Vaters erhalten, und die Verwandten etwas Genaues darüber zu wissen wünschen, so lasse ich hier etliche Auszüge aus dem Brief folgen: Mein lieber Bruder Jacob und Schwägerin Tina! Erhielt gestern nach langem bangen Warten endlich einen Brief von Euch. Also habt ihr alle unsere Briefe nicht erhalten. Ja unser lieber Vater ist nicht mehr — jeder von uns hat Dir nach seinem Tod sein Ende beschrieben, so schade, daß all die Briefe verloren sind! Er starb den 1. August. Mich und Hilda hatten sie fortgeschickt auf Arbeit den 1. Juli. Ich kam gerade einen Tag vor seinem Tod nach Hause. Schon auf der Straße hörte ich sein lautes Schnucken, mir brach fast das Herz, wie ich hinein kam war er ohne Besinnung. Ich warf mich voll Gram und Schmerz auf meine Kniee an sein armes Lager. Papa! Papa! Aber er hörte mich nicht. Ich schrie zu Gott, Papa möchte mich noch einmal hören und mit mir sprechen. Nach langem Rufen hörte er mich endlich. Papa vergib mir, hab mich lieb. — “Ja, Ja,” sagte er, “Ich hab so lang auf dich gewartet.” Onkel Joh. Fehdrau kam und sprach mit ihm über Gottes Wort. Wie es zu Ende ging, knieten wir alle an seinem Lager und beteten so lange bis er den letzten Atemzug tat. Du hättest nur sehen sollen wie schön und ruhig er entschlief, die Augen machte er zu und den Mund. Wir wuschen ihn selbst ab, zogen ihm seine einzigen Hosen, die er hatte, und Bluse an, bestellten einen Sarg, der von weißen Brettern zusammengeschlagen war und begruben ihn ganz allein. Mama sagt er hat jeden Tag zu Gott laut gebetet und geweint und gesagt: Meine armen, armen Kinder. Hat sehr viel von Dir gesprochen, Jacob, und Dir vor seinem Tod noch eine Karte geschrieben, wo er auf immer von Euch Abschied nahm. Die hast Du wohl auch nicht erhalten? Hilda hat ihn nicht mehr gesehen, sie kam als wir ihn schon begraben hatten. Und den 29. August mußten wir in paar Stunden unsere Sachen packen, wurden wie anno 1930 in Waggone und fort weiter, niemand wußte wohin, 3 Wochen haben sie uns so transportiert. Nur die Behandlung war jetzt besser. Wann, wann löst Gott unsere Gefangenschaft? Wohnen jetzt am Fluß Irtisch, Sobolskogo Okruga. Arbeite hier im Krankenhaus in der Apotheke, Mama und Irma sind 5 Werst ab im Russendorf. Sara und Hilda müssen im Wald 45 Werst ab arbeiten. Die 4 jüngsten Schwestern sind im Süden zerstreut. Wann wird der Herr unser Elend wenden und uns zusammenbringen. Nicht nur täglich sondern stündlich denke ich an Dich, lieber Jacob, möchte so gerne mit Dir zusammen sein. Hören schon 4 Jahre kein Gotteswort, wir sehnen uns danach. Wie denkst du, kommt das Weltende bald? Der Herr möchte bald kommen und uns bereit finden und uns alle erlösen und zusammenführen. Und Gott wird abwischen alle Tränen, wie schön die Verheißung klingt. Eure traurige Schwester Gredel. Mama schreibt, wir fühlen uns so verlassen, daß wir manchmal nicht wissen was tun und schnell zu Gottes Wort greifen. Hätten wir den lieben Vater im Himmel nicht wir müßten verzweifeln. Ich möchte in den Wald laufen und schreien, das Herz bricht ein vor Weh. Die armen Kinder sind alle zerstreut, müssen im Wald arbeiten und haben nichts Warmes anzuziehen. Die Unterernährung hat Papa zu Grunde gebracht. Die letzte Woche aß er fast garnichts. Die Mädchen sind ganz verbraucht. Hilda’s Füße bis über die Knie steif. -- Ist jemand bereit der armen Mutter und Schwestern etwas zu schicken, der sende es an mich, ich werde es weiterbefördern. Gott lohne es was Ihr den armen Weisen u. der Witwe tut. Die traurigen Kinder Jacob und Tina Giesbrecht. Yarrow, B.C. 1957: Inhaftiert, aber frei — Peter Franz Froese (1892-1957, #1026001) von Aron A. Toews (1884-1969), Rosemarie Froese und B. H. Unruh (1881-1959) Der Ingenieur Peter Froese setzte sich für die hungernden Mennoniten ein und half vielen bei der Auswanderung nach Nordamerika. Ab 1929 war er 11 Jahre lang ein politischer Gefangener. Nach seiner Entlassung und dem Einmarsch Russlands in Deutschland konnte er nach Deutschland auswandern, wo er sich weiterhin für Mennoniten in Not einsetzte. Peter wird in dem Buch Mennonitische Märtyrer von Aron A. Toews vorgestellt, von dem ein Auszug in seinem Nachruf enthalten ist. Siehe auch seinen GAMEO-Artikel und seine Seite im Biographisches Wiki des Bethel College. Sein von Unruh erwähntes Manuskript über die Geschichte der Kommunistischen Partei in Russland befindet sich heute in mennonitischen Archiven. Peter Fr. Fröse† Stuttgart, Westdeutschland 31. Jan. 1892—23. Sept. 1957 Als Nachruf entnehmen wir etliches aus "Mennonitische Märtyrer" von A. A. Töws: "Er war zu seiner Zeit Vorsitzender des Allrussischen Mennonitischen Landwirtschaftlichen Vereins, der sein Hauptbüro in Moskau hatte. Er wurde am 31. Jan. 1892 in Rußland geboren, erwarb sich dann eine gute Bildung; leistete gute Dienste schon während der Dienstzeit als Sanitäter in Moskau und später beim Wiederaufbau der mennonitischen Kolonien des Nordens nach der Revolutionszeit. Er wurde dann aber nach der Liquidierung des Vereins mit den in Rußland verbliebenen Mitgliedern des Vereins in Haft genommen, furchtbar drangsaliert und hat eine Reihe von Jahren in den Gefängnissen und in der Verbannung zugebracht, wie auch sein Mitarbeiter C. C. Reimer u. a. Die beiden andern Mitarbeiter Fr. C. Thießen, Lehrer in Dawlekanowo, und C. F. Klassen, Neusamara, entkamen rechtzeitig ins Ausland. Peter Fr. Fröse ist endlich freigekommen und hatte in den Städtchen Weinheim bei Heidelberg, Westdeutschland, ein Asyl gefunden. Er war ganz ergraut nach all dem Schweren, das er erlebt hatte." Frau R. Fröse schrieb nach seinem Abscheiden: "Sehr bald ist er seinem lieben Freunde C. F. Klassen in die Ewigkeit nachgefolgt — nach einem sehr, sehr schweren Leiden. Er durfte in vollem Einklang mit Gottes Willen heimgehen, nachdem Bruder Unruh uns das Abendmahl gereicht hatte, eine Woche vor seinem Tode. Es war dies — nach Peters Worten — die größte Kirche seines Lebens." Ein persönlicher Nachruf von B. H. Unruh, Westdeutschland: "Von den führenden Männern unserer Landsmannschaft aufgefordert, in einem Nachruf des verweigten Freundes und seines verdienstvollen Einsatzes für unsere Heimatgenossen zu gedenken, habe ich mich entschlossen, eine allseitigere Würdigung des Mannes und seines Lebenswerkes in einer im Entstehen begriffenen persönlichen und dienstlichen Rückschau aus meiner Feder zu vollziehen und in diesem kürzeren Nachruf nur persönlichere Noten anzuschlagen. Die Tatsache, daß das Werk von Fröse mit dem Menschen Fröse und in dessen persönlichen Schicksalen verwurzelt war, berechtigt fraglos zu einen solchen Vorgehen. Am 23. September wurde unser lieber Freund in die ewige Heimat gerufen. Hinter ihm lag ein Leben, das durch viel Leid und Enge führte, in dem er seine Persönlichkeit bis zuletzt immer wieder voll einsetzte für die Aufgabe, die vor ihm stand. Mannigfaltig waren die Aufgaben, die ihm gestellt waren, um deren Erfüllung er immer kämpfen, ringen und dulden mußte. Aber gerade an den schwersten Punkten seines Lebens wurde die helfende und schützende Hand seines Herrn offenbar. Geboren wurde er in einer rußlanddeutschen, mennonitischen Familie, er besuchte die Dorf- und Fortbildungsschule in den mennonitischen Dörfern, dann folgten höhere Schule und Universität in Petersburg. Die Not der Zeit erlaubte ihm nicht, sein Studium zu beenden, und sein starker sozialer Impuls führte ihn zur gesellschaftlichen Arbeit. Auf verschiedenen Gebieten — besonders im "Allrussischen Mennonit. Landwirtschaftl. Verein" — diente er seinen Landsleuten länger als ein Jahrzehnt. Dann ergriff ihn die harte Hand der GPU und sein Weg ging viele, viele Jahre durch die Gefängnisse der UdSSR. Hier wurde die Stärke seiner Persönlichkeit ganz offenbar. Man versuchte ihn zu "gewinnen" — und im Angesicht auch der Möglichkeit des Todes beharrte er auf seinen Standpunkt — "ich lasse mich leiten von Interessen des schaffenden Volkes — und von meinem Gewissen." Und so blieb er frei — als Gefangener! Es wurde ihm nicht leicht gemacht. Einer späteren Zeit soll es vorbehalten bleiben, über diese Jahre ausführlicher zu berichten. Ein Höherer behütete ihn und schenkte ihm Kraft zum Durchhalten. Als sich die Tore zum Leben wieder öffneten war er ungebrochen, und sein Leidenserlebnis wurde ihm zur tiefen Verpflichtung seinen Mitmenschen gegenüber. Schließlich führte ihn der Weg nach Deutschland, der Heimat seiner Vorfahren. Er hoffte hier mit seinen reichen Erfahrungen dienen und auch Verständnis für das schwer bedrückte russische Volk erwecken zu können. Die volle Erfüllung der Hoffnung auf ein solches Wirken war ihm nicht beschieden. In Jahren der Stille verarbeitete er das große Problem unserer Zeit: Die Oktoberrevolution mit ihren Auswirkungen. Vielleicht wird diese Arbeit noch einmal an die Oeffentlichkeit kommen. Zur letzten großen Aufgabe wurde ihm hier der Dienst an seinen Landsleuten. Mit zäher Beharrlichkeit setzte er sich für ihre Belange ein. Er wurde ihnen als Schicksalsgenosse zu einem Freund, dem sie Vertrauen schenkten, das er nicht enttäuschte. Den endgültigen Erfolg seiner Bemühungen um den Lastenausgleich durfte er noch erleben. Als er endlich das achte Gesetz zur Aenderung des Lastenausgleichsgesetzes in den Händen hielt, war er schon von den Krankheit gezeichnet. So lange er konnte, arbeitete er auch auf dem Krankenlager noch für die Sache der Rußlanddeutschen. Es wurde ihm zu einen wunderbaren Erlebnis, daß ihn in den letzten Wochen seines Lebens das Opfer eines Kreises seiner Landsleute trug, denen hier noch ein herzlicher Dank übermittelt sei. Ich glaube, man kann über sein Leben das Schillerwort stellen: 'Und setzet Ihr nicht das Leben ein, nie wird Euch das Leben gewonnen sein!' Mitten aus dem Schaffen und Zukunftsplänen gerissen hat er sein Leben doch zur Vollendung geführt. Sein Sterben in tiefer Verbundenheit mit Christus wurde für die, die es miterleben durften, zum Erlebnis des Sieges über den Tod." 1962: Flucht nach Brasilien — Heinrich Abram Löwen (1878-1962 #517787) von Jakob Thiessen (1915-1991) und Maria Löwen Thiessen (1914-2000) Heinrich Löwen und seine Familie gehörte zu den rund 5.000 glücklichen Mennoniten, die 1929 über Moskau aus Russland entkommen konnten. Sie waren frei, aber es folgte ein schwieriger Start in Brasilien. Heinrich entkam mehr als einmal dem Tod und diente seiner Gemeinde trotz körperlicher Probleme treu. (Weitere Quellen: Ruth Derksen Siemens, Remember Us, S 33 und Through the Red Gate.) Mennonitische Rundschau 1962 Juni 6 S 3 Heinrich Abram Löwen †, Curitiba, Brasilien, starb am 7. April 1962. Er wurde am 14. Juli 1878 am Kuban, Südrußland, geboren. Als die Barnauler Siedlung in Sibirien gegründet wurde, zogen auch unsere Eltern dorthin und wohnten in dem Dorf Friedensfeld. 1911 wurden sie getauft und in die MBG aufgenommen. Dreimal erkrankte Vater an Typhus. Das letzte Mal war Vater dem Tode nahe, aber der Herr gab Gnade, er wurde gesund. Doch die Krankheit hinterließ ein Leiden, das rechte Bein wurde wund und bleib so bis zu seinem Tode. Nach mehr als 10 Jahren war das Bein so wund, daß er über ein halbes Jahr das Bett hüten mußte. Er erhielt viele Besuche und, als der Dirigent und Sänger Bernh. B. Dück dort Sängerkurse durchführen, veranstalteten sie den Gottesdienst in ihrem Hause, so daß auch Vater an den Segnungen teilnehmen konnte. Nach 18 Jahren überraschte der Bruder Abraham Löwen, der im Süden Rußlands wohnte, die Eltern. Die Freude des Wiedersehens war groß. Reiseprediger kehrten bei den Eltern oft ein, und Vater sah seinen Dienst darin, sie zu fahren wohin sie wollten. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen bald schwere Jahre für Vater, denn auch er gehörte zu den Geächteten. Die Auflagen und Besteuerungen nahmen kein Ende. Die Eltern mußten flüchten. Sie fuhren über 100 Kilometer per Wagen, dann der Bahn bis Omsk zu Verwandten und von dort nach Moskau. Auch dort wurden sie verfolgt und mußten dreimal Wohnung wechseln. Auch sie zählten zu den Taufenden, die errettet wurden und über Deutschland nach Brasilien kamen. Die Jahre am Krauel, Santa Catarina, im Urwald, waren für Vater, mit dem wunden Bein, sehr schwer. Dort wurde Vater zum Diakon gewählt und war immer im Gemeinderat. 1937 zogen die Eltern nach Curitiba. Er nahm regen Anteil an der Siedlung Xaxim, war der erste Dorfbewohner, sorgte, daß das Land vermessen wurde und leitete den Holzeinschlag im Walde. Damit war die Sorge behoben, die monatlichen Zahlungen für das Land zu machen. Als später die Kirche in Boqueirao gebaut wurde, hat Vater tatkräftig mitgewirkt, trotz langjährigem Leiden unter der Krebskrankheit. Er hatte auch hohen Blutdruck und mußte wiederholt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Im letzten Jahr konnte er nicht liegen und brachte Tage und Nächte sitzend zu. Er war ein treuer Beter. Solange er konnte, besuchte er die Gottesdienste. Die letzten Wochen konnte er wieder liegen und war Gott dafür sehr dankbar. Wie sehr es auch schmerzt, daß Vater gestorben ist, gönnen wir ihm doch die Ruhe und freuen uns auf ein Wiedersehn beim Herrn. Füge noch hinzu, daß die Eltern von Friedensfeld nach Gnadenheim zogen. Wir grüßen alle werten Leser, besonders unsere Verwandten und Bekannten dort. Jakob Thießen und Frau Maria geb. Löwen. (Eingesandt von Jakob Kasdorf.) 1992: Einen Mennoniten heiraten — Marianne Preisser Rempel (1924-1992, #162742) von Dietrich J. Rempel (1924-2000) Vorne: Dietrich, Marianne, und meine Mutter, Ursula Krippendorf, Thüringen ca. 1945 Wie meine Mutter war Marianne Lutheranerin in einem kleinen deutschen Dorf bei Jena und heiratete einen Mennoniten, den sie nach dem Krieg kennenlernte. Die beiden Paare flohen 1947 gemeinsam aus dem kommunistischen Ostdeutschland, hatten aber unterschiedliche Wege nach Kanada. Die Frauen vermissten Aspekte der alten Heimat; Marianne ging so weit, dass sie zweimal zurückkehrte, aber Kanada wurde zur Heimat. Der Bote 1993 Jan. 20 S 7 Marianne Rempel 1924-1992 Nelson, Britisch Kolumbien Marianne Rempel wurde am 3. April 1924 im Dorf Krippendorf, Thüringen geboren. Ihre Eltern waren Max und Martha Preisser. Sie wuchs auf einem kleinen Bauernhof auf und hatte eine frohe Kindheit. Ihr einziger Bruder Fritz fiel im Kriege in Finnland am Anfang des Krieges mit Rußland. Der Vater bekam daraufhin einen Nervenzusammenbruch. So mußte Marianne mit Mutter die Wirtschaft führen. Anfang 1945 kam ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern nach Krippendorf und lernte Marianne dort kennen. Wir heirateten am 22. Juli 1945. Der Krieg war zu Ende, die Amerikaner waren da gewesen und dann kamen die Russen. So flüchteten wir über die Grenze nach dem Westen. Hier waren wir im Lager in Gronau bis 1948. Dort wurde Marianne auch vom Ältesten Winter getauft; sie nahm den mennonitischen Glauben an. 1948 wanderten wir nach Paraguay aus und siedelten dort in der Waldeck Kol. Volendam an. Unser erstes Kind wurde noch in Thüringen geboren und in Paraguay wurde das zweite Kind Wolfgang, der krank war, geboren. Auch Marianne wurde krank und mußte in Asuncion behandelt werden. Während der Zeit war sie im Mennonitenheim. Dann entschlossen wir uns zurück nach Deutschland zu gehen. 1953 im März kamen wir wieder in Deutschland an. Dort starb unser zweiter Sohn nach kurzer Zeit. Zweimal besuchte Marianne noch ihre Eltern in Thüringen während dieser Zeit, und im August 1956 wanderten wir nach Kanada aus und haben seitdem in Nelson, B.C. gewohnt. 1958 wurde uns noch eine Tochter Dorothy geboren, die zur Zeit in Vancouver wohnt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands sind wir noch einmal nach Krippendorf gefahren, aber Marianne fühlte sich dort nicht mehr glücklich, da sie schon zu lange von dort weg war. Am 21. November ist meine liebe Frau und Mutter von John und Dorothy durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen. Gott hat ihren Wunsch erfüllt. Er wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Wir waren 47 Jahre und vier Monate verheiratet. In tiefer Trauer, Gatte Dietrich Rempel, Sohn John, Tochter Dorothy Eingesandt im Auftrage, Helen Wiens, Cousine von Dietrich Rempel. Marianne und Dietrich Rempel in späteren Jahren (Quelle: Nachrufe; Dietrich in Der Bote 2000 Juli 12 S. 17-18) Quellen
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WriterIrene Plett is a writer, poet and animal lover living in South Surrey, British Columbia, Canada. Categories
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